Flüstern in der Nacht
dann wieder den Sheriff an. »Wenn Sie hören, was wir Ihnen zu sagen haben, werden Sie, denke ich, Officer Larsson wieder glauben können.« »Aber«, fügte Hilary hinzu, »verstehen werden Sie es immer noch nicht. Wir stecken tiefer in dieser Geschichte drin als Sie und wissen auch nicht, was hier im Gange ist.« Und dann schilderte sie Laurenski das Erlebnis mit Bruno Frye in ihrem Hause am Dienstagmorgen, fünf Tage nach seinem Tod.
Joshua Rhinehart saß in seinem Büro in St. Helena an seinem Schreibtisch, ein Glas Jack Daniel's Black Label vor sich, und schaute sich die Akte an, die Ronald Preston ihm in San Franzisko ausgehändigt hatte. Die Akte enthielt unter anderem Fotokopien der Monatsauszüge aus dem Mikrofilmarchiv sowie Kopien der Vorder- und Rückseiten jedes einzelnen Schecks, den Frye je ausgestellt hatte. Da Frye dieses Geheimkonto auf einer Bank unterhielt, mit der er sonst keine Geschäfte machte, war Joshua überzeugt davon, bei der Untersuchung der Unterlagen Hinweise auf die Identität des Doppelgängers zu finden.
In den ersten dreieinhalb Jahren, in denen das Konto existierte, hatte Bruno pro Monat zwei Schecks ausgestellt, nie mehr und nie weniger.
Und die Schecks gingen immer an dieselben Leute – Rita Yancy und Latham Hawthorne –, für Joshua gänzlich unbekannte Namen.
Aus Gründen, die aus den Akten nicht ersichtlich waren, hatte Mrs. Yancy fünfhundert Dollar pro Monat erhalten. Das einzige, was Joshua aus den Fotokopien jener Schecks entnehmen konnte, war Rita Yancys Wohnsitz, offenbar Hollister, Kalifornien. Sie hatte jeden Scheck auf eine Bank in Hollister einbezahlt.
Die Schecks an Latham Hawthorne wiesen unterschiedliche Beträge auf; sie reichten von ein paar hundert Dollar bis zu fünf- oder sechstausend. Offenbar lebte Hawthorne in San Franzisko, denn er deponierte sämtliche Schecks in ein- und derselben Zweigstelle der Wells Fargo Bank dort. Jeder einzelne von Hawthornes Schecks trug auf der Rückseite einen Stempelabdruck:
NUR ZUR VERRECHNUNG
Latham Hawthorne ANTIQUAR & OKKULTIST
Joshua starrte das letzte Wort eine Weile an. Okkultist. Es schien offenbar von dem Wort okkult abgeleitet und von Hawthorne dazu benutzt, seinen Beruf wenigstens teilweise näher zu bezeichnen, während der andere Teil sich ganz offensichtlich auf den Verkauf antiquarischer Bücher bezog. Joshua glaubte, die Bedeutung des Wortes zu kennen, war sich aber nicht sicher.
Zwei Wände seines Büros standen mit juristischen und anderen Nachschlagewerken voll. Er besaß drei Wörterbücher und schaute in allen dreien das Wort Okkultist nach. Die zwei ersten enthielten das Wort nicht, aber das dritte lieferte ihm eine Definition, die ziemlich genau seinen Erwartungen entsprach. Ein Okkultist glaubte an die Rituale und übernatürlichen Kräfte verschiedener okkulter Wissenschaften – darunter, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Astrologie, Handlesen, schwarze Magie, weiße Magie und Satanismus. Dem Lexikon gemäß konnte ein Okkultist auch Gegenstände verkaufen, die man für die Ausübung dieser Rituale benötigte – Bücher, Kostüme, Karten, magische Instrumente, Reliquien, seltene Kräuter, Kerzen aus Schweinetalg und dergleichen. In den fünf Jahren zwischen Katherines Tod und seinem eigenen Ableben hatte Bruno Frye mehr als einhundertdreißigtausend Dollar an Latham Hawthorne entrichtet. Keiner der Schecks enthielt irgendwelche Hinweise darauf, was er für all sein Geld bekommen hatte.
Joshua füllte sein Glas nach und kehrte an seinen Schreibtisch zurück.
Die Akte über Fryes geheime Bankkonten zeigte, daß in den ersten dreieinhalb Jahren zwei Schecks pro Monat ausgestellt wurden und in den vergangenen eineinhalb Jahren schließlich drei Schecks pro Monat; einen an Rita Yancy, einen an Latham Hawthorne – und einen dritten an Dr. Nicholas W. Rudge. Alle an den Doktor ausgestellten Schecks waren in einer Zweigstelle der Bank of America in San Franzisko eingelöst worden, also nahm Joshua an, der Arzt wohne wohl in jener Stadt.
Er rief die Telefonauskunft von San Franzisko an und anschließend die des Vorwahlbereichs 408, dem die Ortschaft Hollister angehört. Keine fünf Minuten später besaß er die Telefonnummern von Hawthorne, Rudge und Rita Yancy. Zuerst rief er Rita Yancy an. Sie meldete sich beim zweiten Klingeln. »Hallo?« »Mrs. Yancy?« »Ja.«
»Rita Yancy?«
»Richtig.« Ihre Stimme klang angenehm und sanft, melodisch. »Wer spricht?«
»Mein Name ist
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