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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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jetzt. Ein gräßlicher Fall«, entgegnete Joshua.
    Die schmutziggrauen Wolken wälzten sich immer noch im Westen über die Berge und schoben sich beständig auf St. Helena zu.
    »Marsden hat Tagebuch über seine Greueltaten geführt«, fuhr Hawthorne fort. »Ein höchst eigenartiges Werk. Er war der festen Überzeugung, ein Toter namens Adrian Trench wäre bemüht, seinen Körper zu übernehmen und durch ihn wieder ins Leben zurückzukehren. Marsden glaubte tatsächlich, er stünde in einem andauernden verzweifelten Kampf, wer die Kontrolle über sein eigenes Fleisch ausübte.« »Wenn er also tötete, dann handelte es sich in Wirklichkeit gar nicht um ihn, sondern um diesen Adrian Trench.« »So hat er es in seinem Tagebuch dargestellt«, meinte Hawthorne. »Aus irgendeinem Grund, den er nie erklärte, war Marsden davon überzeugt, der böse Geist Adrian Trenchs verlange das Blut anderer Leute, um die Kontrolle über Marsdens Körper zu behalten.«
    »Das ist derart verrückt, um vor einem Gericht auf mangelnde Zurechnungsfähigkeit zu plädieren«, ergänzte Joshua zynisch.
    »Marsden wurde tatsächlich in eine Anstalt eingewiesen«, erklärte Hawthorne. »Sechs Jahre später starb er dort. Aber er hat das Ganze nicht nur inszeniert, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Er glaubte tatsächlich, Adrian Trenchs Geist versuchte ihn aus seinem eigenen Körper zu verdrängen.« »Schizophren.«
    »Wahrscheinlich«, gab Hawthorne zu. »Aber ich glaube, wir sollten die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Marsden durchaus zurechnungsfähig war und lediglich über ein echtes paranormales Phänomen berichtete.«
    »Würden Sie das bitte wiederholen?«
    »Ich deutete an, daß Christian Marsden vielleicht auf die eine oder andere Art tatsächlich besessen war.« »Das ist doch nicht Ihr Ernst«, entgegnete Joshua. »Um Shakespeare zu zitieren – es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen sich des Menschen Schulweisheit keine Vorstellung machen kann.«
    Vor dem breiten Fenster in Joshuas Büro drängten immer noch schieferfarbene Wolkenbänke ins Tal; die Sonne versank hinter den Mayacamas-Bergen, und die frühe Abenddämmerung des Herbstes breitete sich über St. Helena. Joshua blickte auf den verblassenden Tag und fragte: »Warum war Mr. Frye so scharf auf das Marsden-Tagebuch?« »Weil er glaubte, selbst etwas Ähnliches wie Marsden zu erleben«, antwortete Hawthorne.
    »Sie meinen, Bruno dachte, irgendein Toter versuche seinen Körper zu übernehmen?«
    »Nein«, entgegnete Hawthorne. »Er hat sich nicht mit Marsden, sondern mit Marsdens Opfern identifiziert. Mr. Frye glaubte, seine Mutter – ich glaube, sie hieß Katherine – wäre im Körper einer anderen von den Toten zurückgekehrt und schmiede Komplotte, um ihn zu töten. Er hoffte, das Marsden-Tagebuch würde ihm Aufschluß darüber geben, was er gegen sie unternehmen könnte.«
    Joshua hatte plötzlich das Gefühl, jemand habe ihm eine riesige Dosis eiskalten Wassers in seine Venen injiziert. »Bruno hat mir gegenüber nie dergleichen erwähnt.« »Oh, er behielt das für sich und vertraute wenigen Menschen«, erklärte Hawthorne. »Wahrscheinlich bin ich sogar der einzige, dem er das je anvertraut hat. Er faßte Vertrauen zu mir, weil ich seine Interessen für das Okkulte teilte. Trotzdem hat er es auch mir gegenüber nur einmal erwähnt. Er vertrat geradezu leidenschaftlich die Überzeugung, sie sei von den Toten zurückgekehrt, und die Vorstellung, ihr zum Opfer zu fallen, bereitete ihm unendliche Qual. Später tat es ihm dann leid, daß er mir das erzählt hatte.« Joshua richtete sich in seinem Sessel auf. Ihm war eiskalt.
    »Mr. Hawthorne, letzte Woche hat Mr. Frye versucht, in Los Angeles eine Frau zu töten.« »Ja, ich weiß.«
    »Er wollte sie töten, weil er dachte, sie wäre tatsächlich seine Mutter, die sich in einem neuen Körper versteckte.« »Wirklich? Wie interessant.«
    »Du lieber Gott, Mr. Hawthorne! Sie wußten, was in seinem Kopf vor sich ging. Warum haben Sie nichts unternommen?« Hawthorne blieb kühl und ungerührt. »Was hätte ich denn tun sollen?«
    »Sie hätten es der Polizei erzählen müssen! Die hätten ihn verhört, untersucht und festgestellt, ob er vielleicht ärztliche Hilfe benötigte.«
    »Mr. Frye hat kein Verbrechen begangen«, erwiderte Hawthorne entschieden. »Und außerdem gehen Sie davon aus, daß er verrückt war, und diese Annahme teile ich nicht.« »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, meinte Joshua

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