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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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hin und her, und dann begann er: »Ich muß auf meine alten Tage etwas begriffsstutzig geworden sein. Würde sich jemand meiner erbarmen?«
    »Vielleicht bin ich gar nicht die erste Frau, die er für seine Mutter gehalten hat«, antwortete Hilary. »Vielleicht hat er schon andere umgebracht, ehe er auf mich losging.« Joshua starrte sie mit weitaufgerissenen Augen an. »Unmöglich!« »Warum?«
    »Das hätten wir doch erfahren, wenn er die letzten fünf Jahre herumgelaufen wäre und Frauen umgebracht hätte. Man hätte ihn doch erwischt!«
    »Nicht unbedingt«, meinte Tony. »Geisteskranke Mörder gehen manchmal äußerst sorgfältig und vorsichtig zu Werk. Manche entwerfen raffinierte Pläne – und verfügen doch über eine geradezu unheimliche Fähigkeit, wenn nötig, genau das richtige Maß an Risiko einzugehen, falls irgend etwas Unerwartetes passiert, das ihre Pläne zum Scheitern bringt. Es fällt nicht immer leicht, sie zu schnappen.« Joshua fuhr sich mit der Hand durch seine schneeweiße Mähne. »Aber wenn Bruno andere Frauen tötete – wo sind dann ihre Leichen?«
    »Nicht in St. Helena«, versicherte ihm Hilary. »Mag sein, er war schizophren, aber die respektable, die Dr.-Jekyll-Hälfte seiner Persönlichkeit, hatte ihn fest unter Kontrolle, sobald er mit Leuten verkehrte, die ihn kannten. Ich bin fast sicher, er hat jedesmal die Stadt verlassen, um zu morden. Und sicher auch das Tal.«
    »San Franzisko«, meinte Tony. »Allem Anschein nach ist er regelmäßig dorthin gefahren.«
    »Irgendeine Stadt im nördlichen Teil des Staates«, meinte Hilary. »Jeder beliebige Ort kommt in Frage, weit genug vom Napa-Tal entfernt gelegen, um seine Anonymität zu garantieren.«
    »Warten Sie«, meinte Joshua. »Einen Augenblick. Selbst wenn er woanders hinfuhr und dort Frauen fand, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Katherine aufwiesen, selbst wenn er in anderen Städten und Ortschaften mordete – so muß er doch trotzdem Leichen hinterlassen haben. Es müßten auch gewisse Ähnlichkeiten im Tatverlauf aufgetreten sein, Dinge, die die Behörden aufmerksam werden ließen. Man würde doch nach einem modernen Jack the Ripper fahnden und hätte bestimmt in den Nachrichten etwas gehört.«
    »Wenn die Morde sich über fünf Jahre verteilten und sich noch dazu in verschiedenen Ortschaften der unterschiedlichsten Bezirke ereigneten, konnte die Polizei möglicherweise keine Verbindung zwischen den einzelnen Taten herstellen«, meinte Tony. »Kalifornien erstreckt sich über hunderttausende von Quadratmeilen. Es gibt Hunderte und Aberhunderte von Polizeiorganisationen und bei weitem nicht so viel Informationsaustausch, wie wünschenswert wäre.
    Tatsächlich kann man eine Verbindung zwischen mehreren Morden nur dann herstellen, wenn zwei oder besser drei Morde in relativ kurzer Zeit im Zuständigkeitsbereich einer einzigen Polizeibehörde, einem Bezirk oder einer einzigen Stadt begangen werden.«
    Hilary wandte sich vom Schreibtisch ab und kehrte zur Couch zurück. »Es ist also möglich«, meinte sie und fühlte sich ebenso kalt, wie der Oktoberwind draußen klang. »Es ist möglich, daß er in den letzten fünf Jahren Frauen hingemetzelt hat – zwei, sechs, zehn, fünfzehn oder noch mehr – und daß ich die erste bin, die ihm Schwierigkeiten bereitete.« »Das ist nicht nur möglich, sondern sogar höchst wahrscheinlich«, erklärte Tony. »Ich würde sagen, wir können uns sicher darauf verlassen.«
    Die Xerox-Kopie des Briefes aus dem Schließfach lag vor ihm auf dem Tisch; er griff danach und las den ersten Satz laut vor. »Meine Mutter, Katherine Anne Frye, ist vor fünf Jahren gestorben, kehrt aber immer wieder in einem neuen Körper ins Leben zurück.«
    »Mehrere Körper«, entgegnete Hilary.
    »Genau das ist das Entscheidende«, fuhr Tony fort. »Nicht nur ein Körper, sondern mehrere. Daraus, so meine ich, können wir den Schluß ziehen, daß er sie schon mehrere Male getötet hat, und immer wieder glaubte, sie wäre erneut aus dem Grab zurückgekehrt.«
    Joshuas Gesicht war aschfahl geworden. »Aber wenn Sie recht haben ... dann habe ich ... dann haben wir alle hier in St. Helena in unmittelbarer Umgebung eines gemeinen, bösartigen Monstrums gelebt. Und wir haben es nicht einmal gewußt!«
    Tonys Miene verfinsterte sich. »›Das Böse wandelt unter uns im Gewande eines gewöhnlichen Menschen.‹« »Woher stammt das?« fragte Joshua.
    »Ich habe ein Gedächtnis wie eine Mülltonne«, meinte Tony. »Bei mir

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