Flüstern in der Nacht
weinte lautlos, aus Angst, der geringste Laut könnte ihn dazu bringen, auf sie einzustechen ; Er wiederholte die Frage: »Wo ist Katherine?« »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich keine Katherine kenne«, sagte sie. Sie sprach stockend, mit zitternder Stimme; jedes Wort kostete sie Mühe. Ihre weiche Unterlippe zitterte beim Reden.
»Du weißt, wen ich meine«, erklärte er scharf. »Mach' mir nichts vor. Sie nennt sich jetzt Hilary Thomas.« »Bitte. Bitte ... lassen Sie mich gehen.« Er hielt ihr das Messer ans rechte Auge, so daß die Spitze auf die sich weitende Pupille zeigte. »Wo ist Hilary Thomas?«
»O Gott!« sagte sie mit bebender Stimme. »Hören Sie, Mister, da scheint irgend etwas durcheinandergeraten zu sein. Ein Fehler. Sie machen da einen großen Fehler.« »Willst du dein Auge verlieren?«
Der Schweiß brach ihr in dicken Tropfen am Haaransatz aus. »Willst du halb blind werden?« fragte er. »Ich weiß nicht, wo sie ist«, antwortete Sally kläglich. »Lüg' mich nicht an.« »Ich lüge nicht. Das schwöre ich.« Er starrte sie ein paar Sekunden lang an. Jetzt standen ihr auch an der Oberlippe Schweißtropfen, winzige feuchte Tröpfchen. Er nahm das Messer von ihrem Auge weg. Sie schien sichtlich erleichtert.
Er überraschte sie. Er schlug ihr mit der anderen Hand ins Gesicht, schlug so heftig zu, daß ihr die Zähne aneinanderschlugen und ihre Augen sich verdrehten. »Miststück!«
Jetzt konnte sie die Tränen nicht mehr halten. Ein weicher, klagender Ton entrang sich ihrem Innersten, und sie zuckte zurück.
»Du mußt wissen, wo sie ist«, beharrte er. »Sie hat euch doch bezahlt.«
»Wir sind regelmäßig bei ihr beschäftigt. Sie hat angerufen und einen zusätzlichen Reinigungsauftrag erteilt. Sie hat uns nicht gesagt, wo sie sich befindet.« »War sie zu Hause, als ihr angekommen seid?« »Nein.«
»War sonst jemand im Haus?« »Nein.«
»Wie seid ihr dann reingekommen?« »Wie?«
»Wer hat euch den Schlüssel gegeben?« »Oh. O ja, das«, meinte sie, und ihr Gesicht hellte sich etwas auf, weil sie einen Ausweg witterte. »Ihr Agent. Ein Literaturagent. Wir mußten an seinem Büro vorbeifahren, um uns den Schlüssel zu holen.« »Und wo ist das?«
»Beverly Hills. Sie sollten mit dem Agenten reden, wenn Sie wissen wollen, wo sie sich aufhält. Den sollten Sie fragen. Der weiß bestimmt, wo Sie sie finden können.« »Wie heißt der?«
Sie zögerte. »Ein komischer Name. Ich hab' ihn geschrieben gesehen ... aber ich weiß nicht, ob ich mich genau daran erinnern kann ...«
Er hielt ihr wieder die Messerspitze ans Auge. »Topelis«, erwiderte sie. »Sag' mir, wie man das schreibt.«
Das tat sie. »Ich weiß nicht, wo Miss Thomas ist. Aber dieser Mr. Topelis wird es wissen. Ganz sicher wird er es wissen.« Er nahm das Messer weg. Sie schien völlig erstarrt. Jetzt sackte sie zurück. Er starrte auf sie hinunter. Etwas regte sich in seinem Unterbewußtsein, eine Erinnerung, und dann eine schreckliche Erkenntnis.
»Dein Haar«, meinte er. »Du hast dunkles Haar. Und deine Augen. Die sind so dunkel.«
»Was ist denn?« fragte sie beunruhigt und erkannte plötzlich, daß sie sich noch nicht außer Gefahr befand. »Du hast dasselbe Haar und dieselben Augen und dieselbe Gesichtsfarbe, wie sie hatte«, meinte Frye. »Ich verstehe nicht. Ich weiß nicht, was das alles soll. Sie machen mir angst.«
»Hast wohl geglaubt, du könntest mich 'reinlegen?« Er grinste sie an und freute sich darüber, daß sie ihn mit ihrem raffinierten Trick nicht hatte täuschen können. Er wußte es. Er wußte es.
»Du hast dir wohl gedacht, ich würd' jetzt zu diesem Topelis gehen«, keifte Bruno, »damit du mir entwischen kannst.« »Topelis weiß, wo sie ist. Er weiß es. Ich nicht. Ich weiß wirklich überhaupt nichts.«
»Ich weiß, wo sie sich jetzt befindet«, entgegnete Bruno. »Wenn Sie es wissen, können Sie mich ja gehenlassen.« Er lachte. »Du hast die Körper getauscht, nicht wahr?« Sie starrte ihn an. »Was?« »Irgendwie bist du aus diesem Thomas-Weib herausgeschlüpft und hast die Kontrolle über dieses Mädchen übernommen, nicht wahr?«
Jetzt weinte sie nicht mehr. Ihre Furcht brannte so heiß in ihr, daß die Tränen verdunsteten. Das Miststück. Dieses dreckige Miststück.
»Hast du wirklich gedacht, du könntest mich 'reinlegen?« fragte er. Er lachte wieder, diesmal vor Entzücken. »Nach alldem, was du mir angetan hast, konntest du wirklich annehmen, ich würde dich nicht
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