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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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der Straße.
    Am ganzen Körper zitternd, versuche ich anzufahren, aber das Auto schlingert zur Seite.
    Gut. Jetzt hängen zwei Reifen in der Abflussrinne.
    »Yoko! Tu mir das nicht an!«
    Stopp! Einen Augenblick. Ich habe das Auto mit Namen angesprochen. Warum Yoko? Keine Ahnung. Yoko hat für John immer alles getan, und das kann ich von diesem Subaru hier keineswegs behaupten.
    »Komm schon, Yoko! Imagine – dass es gar keine Abflussrinne gibt. Das ist leicht, du musst es nur versuchen. Keine Leere unter deinem Reifen. Über dir nur das Auto.«
    Ich lege den Rückwärtsgang ein. Ich lege den Vorwärtsgang ein. Ich versuche, das blöde Auto in eine Schaukelbewegung vor und zurück zu versetzen. Ich schalte die Green-Day-CD aus. Vielleicht hört Yoko Green Day nicht gern.
    »Ich hasse Maine!«
    Mit der Faust schlage ich auf das Lenkrad.
    Die Hupe trötet los und versetzt wahrscheinlich alle kleinen Eichhörnchen in der Umgebung in Angst und Schrecken. Mir egal, ich schlage noch einmal zu.
    »Blödes, blödes Maine«, murmle ich und schlage noch mal auf das Lenkrad und noch mal, bis sich an meiner Handkante rote Flecken zeigen.
    Alles läuft so was von schief. Die Sonne geht unter. Draußen friert es. Mein Auto steckt fest und steht schräg, so wie alles in der Welt schrecklich verzerrt und falsch zu sein scheint und wahrscheinlich auch ist.
    Ich meine, ich bin in Maine in einem Auto, das im Eis feststeckt.
    Ich schlage auf Yoko ein, was einfach völlig falsch ist.
    Und ich kann mein Handy nicht benutzen.
    Warum? Ich hab vergessen, es aufzuladen.
    Könnte das Leben schlimmer sein?
    Ich versuche noch einmal, das Auto in Bewegung zu versetzen. Es schlingert, aber rutscht gleich wieder zurück.
    Die Luft riecht beißend nach verbranntem Gummi.
    Es ist einfach lächerlich.
    »Ich hasse Eis!«
    Ich schlage mit dem Kopf gegen das Lenkrad und fange im selben Moment an zu weinen oder richtiger gesagt, zu heulen. Ich weine und weine und weine. Weil ich im Eis stecken geblieben bin, weil mein Dad tot ist und weil meine Mutter mich allein hierher geschickt hat, wo es Menschen gibt, die allem Anschein nach normal sind, aber dann auf einmal an Elfen glauben, weil ich Charleston vermisse und die warme Luft dort und die Blumen und Straßen, die nicht vereist sind.
    Früher habe ich zu dem Typ Mensch gehört, der immer in Bewegung ist, immer etwas tut, Briefe schreibt, durch die Straßen rennt, mit Freunden lacht und sich bewegt. Immer vorwärts. Immer in Bewegung.
    Und dann bin ich stecken geblieben. Mein Dad ist gestorben, und ich höre nur noch Wörter wie Tod, tödlich, Stille. Keine Bewegung mehr. Nicht nach vorn. Nicht zurück. Stecken geblieben. Für immer weg, wie mein Dad, ein schwarzer Bildschirm auf dem Computer, ein altes Foto in der Diele ohne Leben darin, eine Eisfläche auf einer Straße nach nirgendwo, ins Nichts. Einfach weg.
    Die Sonne geht unter, dabei ist es erst fünf Uhr nachmittags.
    Wie können Menschen hier nur leben? Es sollte gesetzlich verboten sein, irgendwo zu leben, wo die Sonne so früh untergeht. Wenn ich Diktator wäre, würde ich so ein Gesetz erlassen. Aber weil ich kein Diktator bin, stolpere ich mit einer der Gasfackeln aus Bettys Notfallkoffer in die Kälte hinaus und zünde sie an. Ich schaue mir an, wie die Reifen stehen, und gehe wieder zurück ins Auto.
    Jemand klopft an Yokos Fenster.
    Ich fahre in meinem Sitz auf und schreie. Wenn ich den Gurt nicht angelegt hätte, wäre ich mit dem Kopf gegen die Decke geprallt. Voller Entsetzen schlage ich die Hände vors Gesicht. Jemand pocht noch einmal ans Fenster. Endlich bringe ich den Mut auf, hinauszuschauen.
    Nick Colt steht total lässig neben meinem Auto, als würde das Stehen in einem Straßengraben zu seiner täglichen Routine gehören. Ich lasse das Fenster herab. Kalte Luft strömt herein, sodass ich fröstle.
    »Was machst du denn hier?«, frage ich erstaunt. Er hat gesehen, dass ich erschrocken bin. Er sieht aus, als würde er das alles sehr lustig finden. Seine Wangen zucken, als wäre ich ein riesengroßer Spaß.
    »Begrüßt man so seinen Retter?«
    Er lächelt, und sein Lächeln ist perfekt.
    »Tut mir leid. Ich bin nur … Ach, keine Ahnung, was mit mir los ist.« Ich schüttle den Kopf. »Ich bin einfach ausgeflippt. Tut mir leid.«
    »Offensichtlich.« Seine tiefe Stimme klingt fest.
    Ich fahre mir über das Gesicht. »Ich bin noch nie auf Eis gefahren. Zuhause bin ich eine richtig gute Autofahrerin.«
    »Klar.«
    »Wirklich, ich

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