Fluesterndes Gold
Thema. »Issies Eltern kommen spät von der Arbeit.«
»Bei der Bank«, erklärt Issie. Sie lässt sich auf die Couch fallen und klopft auf das Kissen neben sich, dann springt sie wieder auf. »Oh. Ich sollte euch was zu essen anbieten. Habt ihr Hunger?«
»Ich nicht«, sage ich und lasse die gemütliche Atmosphäre des Raums auf mich wirken. Es ist fast wie in einem Fachwerkhaus, glaube ich wenigstens.
»Und wie«, sagt Devyn.
Issie hüpft in die Küche und kehrt mit einer Packung Eiscreme wieder. Sie legt sie Devyn in den Schoß und drückt ihm einen Löffel in die Hand. »Du hast doch immer Hunger.«
Er klappt den Deckel auf und stößt den Löffel in das Eis: »Stimmt.«
Wir schauen ihm beim Essen zu. Issie sinkt wieder auf die Couch, aber sie ist so aufgedreht, dass sie anfängt mit dem Fuß zu wippen. Wir schweigen beklommen.
»Also …«, sage ich. »Ihr wolltet mir von dem Mann erzählen, der draußen vor der Cafeteria stand. Habt ihr ihn schon früher gesehen?«
Devyn schluckt. »Ich bin mir nicht sicher. Er hat mir Angst gemacht. Das ist nicht besonders männlich, ich weiß.«
»Du bist total männlich«, verkündet Is in einem Ton, der sowohl Devyn als auch mir die Röte ins Gesicht treibt. Sie hört auf, mit dem Fuß zu wippen. »Devyn hat Nachforschungen angestellt. Es wird dir wahrscheinlich schwerfallen, das zu glauben.«
Ich warte. »Und …«
»Sagst du es ihr?«, fragt Issie.
Devyn steckt den Löffel in den Eisbehälter, sodass er aufrecht stehen bleibt. Es bereitet ihm Mühe, die Worte hervorzubringen: »Wir glauben, dass er ein Elf ist.«
Ich warte ab.
Issie eilt zu Hilfe. »Gut. Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber hör uns bis zu Ende an, ja?«
Einen Augenblick lang überlege ich, ob alle in Bedford, Maine verrückt sind, oder nur Devyn und Issie oder vielleicht auch ich. Ich entscheide mich dafür mitzuspielen. »Ja.«
»Gut«, fährt Issie fort. »Gut … ähm …«
»Du hast gesagt, dass du ihn in Charleston am Flughafen gesehen hast?«, fängt Devyn an.
»Auf der Startbahn.« Ich ziehe die Beine unter meinen Körper und richte mich auf der Couch ein. »Und dann habe ich ihn hier gesehen.«
Ich schaudere, wenn ich mich daran erinnere.
»Das ist so verrückt«, sagt Issie und klopft mit den Fingern auf ihr Bein.
»Ich weiß, dass es verrückt ist.« Ich nicke und nehme ein Kissen von der Couch. Es ist dunkelgrün mit aufgenähten Blättern aus Filz. Ich schlinge die Arme um das Kissen. »Ich hab schon gedacht, ich würde ihn mir nur einbilden, aber ihr habt ihn heute auch gesehen, oder?«
Sie nicken.
Dann stelle ich die Frage: »Und ihr glaubt, dass er ein Elf ist?«
Wieder nicken sie.
Der Löffel im Eis fällt um.
»Sind Elfen nicht kleine Gestalten mit Flügeln, die in Blumengärten herumtanzen?«, frage ich.
»Nicht unbedingt.« Devyn packt den Löffel, als könne er ihn zur Ruhe bringen.
»Und warum meint ihr, dass er ein Elf ist?«, sage ich schließlich und versuche, alles zu begreifen.
»Er bewegt sich sehr schnell von einem Ort zum anderen und er hinterlässt Goldstaub auf seiner Spur«, erklärt Issie. »Das entspricht hundertprozentig dem Verhalten eines Elfenherrschers. So, ähm, steht es wenigstens auf der Website, die Devyn gefunden hat.«
»Goldstaub? Wie Tinkerbell?« Ich stehe auf. Das geht zu weit. »Soll das ein Witz sein? Eine Art Einführungsritual nach dem Motto, jetzt quälen wir die Neue mal ein bisschen?«
»Niemals würden wir dir das antun. Das wäre ja gemein.« Issie runzelt die Stirn und sieht ganz zerknittert aus.
Devyns Stimme wird eine Oktave höher. »Ich hab dir doch gesagt, dass du ihr nichts von dem Goldstaub erzählen sollst. Das klingt albern.«
»Ich weiß, dass es albern klingt.« Issie stellt sich neben mich. »Aber es ist wahr.«
»Also gut. Es ist wahr«, lenke ich ein. Ich klappere mit den Autoschlüsseln, weil ich einerseits unbedingt gehen will, aber andererseits aus irgendeinem blöden Grund auch hören will, was sie zu sagen haben.
»Im Web steht es so«, beharrt Issie.
»Wir wissen es nicht sicher, Is. Es ist eine Arbeitstheorie«, sagt Devyn mit einem gequälten Ausdruck in den Augen. »Ich weiß, dass das lächerlich klingt, Zara, ich meine, ich finde es auch irgendwie lächerlich. Aber ich habe das ganze Internet durchforstet und nichts gefunden, womit ich diesen Typen erklären könnte.«
»Und warum verfolgt er mich?«
»Das ist eine gute Frage«, sagt Devyn. »Wann hast du ihn zum ersten Mal
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