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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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Dinge.«
    Ich tätschle, wahrscheinlich unbeholfen, ihren Rücken.
    »Ich bin so froh, dass du da bist«, sagt sie und lässt mich endlich los. Sie denkt noch einmal über ihre Worte nach und korrigiert sich. »Ich meine, es ist zwar kalt und so, aber wir haben Kaninchen, obwohl … vielleicht habt ihr in Charleston auch Kaninchen …«
    Ich beiße mir auf die Lippe und habe das Gefühl, als hätte ich zu viel über mich preisgegeben. Ich besitze sogar Schlafanzüge mit Kaninchen drauf, aber davon werde ich weder Issie noch sonst jemandem erzählen, und auch nicht von meinem Stoffkaninchen Edgar, das jede Nacht bei mir schläft.
    »Kommst du noch mit zu mir?«, fragt Issie. Der Wind bläst ihr die flaumigen Haare zuerst aus der Stirn und dann in den Mund. Sie spuckt sie lächelnd aus.
    »Haare schmecken nicht gut«, sagt sie. »Du siehst aus, als wäre dir schrecklich kalt.«
    »Äh …« Ich stecke den Schlüssel ins Schloss und halte mir mit der Hand den Magen. »Ich muss noch zum Rathaus, mein Auto anmelden. Tut mir leid.«
    Das stimmt. Wirklich. Issie zu enttäuschen ist ungefähr so, wie einem vierjährigen Kind zu sagen, dass Eiscreme abgeschafft wurde. Wenn es schon gesagt werden muss, dann will man wenigstens nicht diejenige sein, die es sagt.
    Sie bleibt stehen. Ihr Gesicht sieht ganz zerknautscht aus. Sie startet einen zweiten Versuch.
    »Ach so, noch was. Ich habe eine echt süße Katze. Muffin heißt sie. Sie würde dir bestimmt gefallen.«
    Ich nicke. »Das ist ja ein netter Name für eine Katze.«
    »Nicht besonders originell«, meint sie und schlingt dann die Arme um ihren Körper. »Und wenn du wirklich nur ganz kurz bleibst? Ich muss dir noch so viel über die Stadt erzählen. Und Devyn will mit dir über den Mann sprechen, den du gesehen hast. Wir fahren vorne rum und sammeln ihn auf. Ich bringe ihn immer heim. Zum Glück. Er hasst es, mit dem Behindertenbus zu fahren.«
    »Das wäre cool«, sage ich und schließe auf. »Ihr denkt doch nicht, dass er immer noch da ist, oder?«
    »Devyn?«
    »Nein. Der Typ.«
    »Ach, der ist bestimmt längst weg«, sagt sie lächelnd. »Gut? Okay. Fahr einfach hinter mir her, ja?«
    Sie winkt und hüpft davon, und ich muss lächeln, richtig lächeln. Ich spüre es bis in mein Herz hinein, obwohl ich das Lächeln nicht sehen kann. So habe ich wirklich seit langer Zeit nicht gelächelt, aber Issie ist so nett und liebenswert, dass es in Maine vielleicht doch nicht so schlimm wird.
    Riesige Schneeflocken tanzen vom Himmel herab. Ich lege den Kopf in den Nacken. Sie sind wunderschön, wie sie so weich und sanft herabfallen. Mit ausgestreckter Zunge fange ich eine Schneeflocke auf. Sie schmilzt augenblicklich.
    Ich fange noch eine.
    Und noch eine.
    Die Straßen sind nicht besonders glatt, und es gelingt mir, Issies kleinem Volkswagen bis zu ihrem Haus zu folgen, ohne zu rutschen oder eine Vollbremsung hinzulegen oder so.
    Beim Fahren denke ich die ganze Zeit: Hier ist mein Dad aufgewachsen. Auf diesen Straßen ist er gefahren. Auf diesen Straßen wird er nie wieder fahren. Dann muss ich plötzlich ausweichen, um ein Schlagloch zu umfahren.
    Issie hebt Devyns Rollstuhl aus dem Auto, während ich einparke und das Haus unter die Lupe nehme.
    »Euer Haus ist niedlich«, sage ich.
    »Ein einfaches Einfamilienhaus mit vielen Schindeln.« Sie verzieht das Gesicht. »Typisch Maine. Die Häuser in Charleston sehen anders aus, was?«
    »Eigentlich nicht«, antworte ich und schließe das Auto ab. Es gibt einen tröstlichen Piepston von sich.
    »Du brauchst nicht abzuschließen«, sagte Devyn. Er steht aufrecht neben seinem Rollstuhl. Offenbar mache ich ein erstauntes Gesicht. »Ja, stehen kann ich.«
    »’tschuldigung. Ich bin ein Idiot. Ich hab dich angeglotzt, was? Oh Gott, das ist schrecklich. Ich bin schrecklich.« Ich spüre, wie mein Gesicht ganz rot wird, während Devyn sich in den Rollstuhl plumpsen lässt.
    »Dieses eine Mal verzeihe ich dir«, sagt Devyn lächelnd. Er entriegelt eine Vorrichtung an der Seite des Rollstuhls und rollt in Richtung Haustür.
    »Vielleicht kann Devyn sogar irgendwann wieder gehen«, erzählt Issie stolz und öffnet die große, rote Tür. »Es hat die Ärzte allesamt in Erstaunen versetzt. Nach einer solchen Verletzung hatten sie nicht erwartet, dass er wieder stehen kann. Er besitzt gute Selbstheilungskräfte.«
    Auf Devyns Gesicht erscheint ein so schmerzlicher und verlegener Ausdruck, dass ich nicht nach dem Unfall frage. Er wechselt das

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