Flug des Adlers
mir ein reifes, hohes Alter verdient, und ich habe die Absicht, es produktiv zu gestalten. Leider habe ich bisher keine Kinder. Unsere hiesigen Aphrodisiaka sind sogar für Neunzigjährige zugelassen. Aber ich bin wirklich nicht hergekommen, um über mich oder meinen ehrbaren Namen zu diskutieren. Ich wollte mir nur eine Vorstellung von Ihnen verschaffen, ehe wir uns auf das Wie und Wann stürzen. Ich bin ein wenig neugierig, was Sie sich von all dem versprechen.«
»Um Ihre Worte aufzugreifen, ich möchte unproduktivem Sterben ein Ende machen. Adler schlachtet ganze Familien ab.«
»Beide Seiten sind erschöpft von all den Kämpfen. Die Kur hätten nie gedacht, dass es so lange dauern würde, uns neu zu organisieren. Bei jedem neuen Übergriff sterben in wenigen Wochen mehr Menschen, als die Kur
in einem ganzen Jahr töten. Verschwendung, pure Verschwendung.«
Eine Frau in einem eleganten Kostüm mit wundervollen Augen hinter dicken Brillengläsern räusperte sich vernehmlich auf dem Korridor.
»Mr Silas, sie haben sich wieder versammelt und erwarten Sie.«
Silvers schnüffelte intensiv in der Luft nahe der Assistentin und schmatzte trocken: Pop, pop, pop.
»Ich freue mich darauf, mehr über Ihre Pläne zu erfahren, Valentine. Aber glauben Sie nicht, Sie könnten hier eine Meuterei anzetteln. Wir sind nicht dumm.«
»Das habe ich nie behauptet, Silas. Niederträchtig vielleicht, aber nicht dumm.«
»Sie entsprechen auch nicht meiner Vorstellung eines Bundesgenossen.«
»Wir müssen einander nicht respektieren, solange wir nur kooperieren. Ich würde einen Pakt mit dem Teufel persönlich schließen, wenn ich nur Adlers Gemetzel ein Ende machen kann.«
Zweieinhalb Stunden später bekam Valentine Gelegenheit, in dem Besprechungszimmer im obersten Stock der Space Needle zu sprechen. Der Raum rotierte in der Geschwindigkeit eines Minutenzeigers, und die Skyline der Stadt wich langsam den Bergen, auf die bald darauf die Bucht folgte.
Er stand an einem Ende eines langen, leicht gebogenen Tisches mit einer aufwendigen Lackierung im Farbton von Blut. Die Papiere auf der Tischplatte schienen über ihren eigenen Schatten zu schweben. Im Notfall fanden Valentines Schätzung nach zweiundzwanzig Personen Platz an dem Tisch, aber derzeit befanden sich dort nur vier Gestalten. Silas saß am anderen Ende, weniger bedeutende
Funktionäre drückten sich unauffällig in die Ecken des Raums nahe den Telefonen und Computerterminals, aber Silas gab ihnen den Rest des Tages frei, so dass neben seiner Sekretärin nur die blieben, die am Tisch saßen.
Silas stand auf und machte es sich auf einem abgewetzten Sofa gleich hinter Valentines Stuhl bequem.
»Was zum Teufel soll ich mir unter einer anspruchsvollen amphibischen Operation vorstellen?«, fragte ein General mit schweren Schulterstücken aus poliertem Stahl und der fleischigen Statur eines Mannes, der seiner Arbeit gern nach einem späten Frühstück, aber vor der Cocktailstunde nachging.
»Hören Sie ihn an«, sagte eine Uniformierte, getarnt mit einer aufgesprühten Waschbärenmaske im Bereich der Augen. Gegen ihr kurzes, stacheliges Haar sah Alessa Duvalier nach ihren in Eigenregie durchgeführten Rasierarbeiten aus wie ein Fuchs. »Es wird allmählich Zeit, dass jemand eine Offensive zur Sprache bringt. Wir brauchen mehr Männer, die bereit sind, ihre Eier auf den Tisch zu legen, wenn Sie die Wortwahl entschuldigen.«
»Hauptsache, Sie lassen Ihre hinter dem Reißverschluss, Park«, sagte der fette General.
»Geben Sie dem Mann Gelegenheit, die Frage zu beantworten«, ging Silas dazwischen, und am Tisch kehrte Ruhe ein. Hinter ihm erglühte die Skyline der Stadt in bunten Farben. Suchscheinwerfer erhellten alte, leerstehende Bürogebäude, als wären es nationale Monumente. Licht verteilte sich über die Randbezirke und flutete die Straßen.
»Den Begriff habe ich mir gerade ausgedacht, aber er beschreibt, wozu Ihre ›Großmäuler‹ meiner Ansicht nach fähig sind, wenn die Informationen, die ich während meiner Ausbildung über sie erhalten habe, korrekt sind. Ich
habe auch ein paar Bekanntmachungen über ihre Verwendung in Florida tief in den Everglades gelesen.«
»Wie viele werden Sie brauchen?«, fragte ein Mann in dicker, schwarzer Wollkleidung. Er verströmte den Geruch eines Menschen, der gerade von einem langen Arbeitstag in der Fischfabrik zurückkam. Valentine wusste nicht recht, ob er militärische Freizeitbekleidung trug oder ob seine Zivilkleidung
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