Flug des Adlers
wartenden Großmäulern die Hunde vorzuwerfen, bis Nageezi ihre Automatik zog und den Fischfröschen versprach, sie würden entweder die Fahrer bekommen oder die Hunde.
Und dann ging es los.
Der Regen wechselte sich mit Schnee ab, ließ ein wenig nach, hörte aber nie ganz auf. Doch das beeinträchtigte diese längste Flussfahrt in der ersten Nacht kaum. Den Tag über versteckten sie sich an einem Nebengewässer des Flusses, und die Großmäuler ruhten sich aus oder erkundeten den Uferbereich auf der Suche nach Niederwild und Wasservögeln.
Die erste Landreise, die beinahe zehn Kilometer lang war, verlief gut. Valentine und Nageezi stapften scheinbar endlos bergauf durch die Wälder und folgten mit Fiberglaskajak, Paddeln und der übrigen Ausrüstung einem
Trampelpfad, den die herumstreunenden Großmäuler freigemacht hatten. Alles wobei sie nicht kübelweise eiskaltes Wasser ins Gesicht kriegten, kam ihnen wie ein reines Vergnügen vor.
Als sie sich am zweiten Tag eine Pause gönnten, kauerten sich Valentine und Nageezi im Schnee zusammen, umgeben von den grünweißen Gipfeln der Kaskaden, und aßen Konservennahrung. Valentine, dessen Appetit von der Kälte aufgepeitscht wurde, erschienen die Portionen beängstigend klein. Sie wärmten ihr Essen auf einem chemischen Heizelement auf und drängten sich unter der dünnen Überlebensdecke dicht zusammen, um sich von der Kälte zu erholen.
Die Etappe der zweiten Nacht entpuppte sich als langer, frostiger Wildwasseralptraum, bei dem sie sich von den schwimmenden - oder über Stromschnellen hüpfenden - Grogs stromaufwärts ziehen ließen. Nageezi war geschickter als Valentine, wenn es darum ging, sich selbst und ihr Gespann an den gelegentlichen Strudeln vorbeizudirigieren, also überließ er ihr die Führung, als sie, gerüstet mit frischen Wärmekissen an den Füßen und im Kreuz, wieder in den Fluss zurückgekehrt waren.
Das schlechte Wetter hatte auch einen Vorteil: Es bestand kaum Gefahr, dass sie vom Ufer aus gesehen wurden.
Den dritten Tag verbrachten sie an einem See am Green River, und die Großmäuler blieben trotz ihrer leeren Mägen erfreulich gelassen. Sie hatten in ihrem Training gelernt, dass sie sich nach dem Überfall auf das falsche Hotel auf dem Flugplatz am dritten Tag richtig vollfressen konnten …
Vor der letzten nächtlichen Etappe nahm Nageezi Amphetamine. Sie bot auch Valentine ein paar der weißen Kapseln an.
»Benzedrin?«
»Nicht nötig«, sagte Valentine.
»Wie Sie wollen«, entgegnete sie, warf sich die Kapseln in den Mund und kippte einen Schluck Wasser aus einer großen Flasche hinterher.
Valentine hätte einen Finger gegeben für eine Thermoskanne Kaffee in Space-Needle-Qualität. Er schob sein Kajak ins Wasser und ergriff die Zügel seines neuen Gespanns mit winterkalten Muskeln.
»Wenigstens ist das Wetter besser«, sagte Nageezi lächelnd. »Seattle hat den Regen beendet.«
»Das ist ein Haufen Scheiße«, sagte Valentine, verärgert über ihre chemisch herbeigeführte Heiterkeit. »Sie haben keine Kontrolle über das Wetter.«
»Fick dich«, sagte sie leise, aber Valentines Ohren schnappten ihre Worte auf.
»Was war das?«
»Vergiss es.«
Sie ist ein Quisling. Was interessiert es dich, was sie denkt?
Es interessiert dich, weil du heute Nacht auch ein Quisling bist.
Valentine konnte damit leben. Er hoffte nur, dass der Ausblick voll war mit Bären, die gerade von einer Ressourcenverminderungsaktion zurückgekehrt waren.
Die Großmäuler schwammen aufgeregt den Green River hinauf. Sie konnten das heiße Schweinefleisch beinahe schon schmecken, das sie, wie sie glaubten, erwartete. Valentine markierte das Ufer eines Sees auf seiner Karte und knickte einen Leuchtstab. Dann gab er das Signal für die letzte Etappe.
Nageezi nahm gegen Ende der Etappe, als sie in den Snoqualmie glitten und endlich stromabwärts unterwegs waren, noch zwei Aufputschpillen. Valentine hakte die
Zügel des Großmäulergespanns aus. Von hier an konnte er paddeln. Das würde ihn wieder aufwärmen.
Er stellte sich die Leichen in den Straßen des Häuserblocks vor, die angsterfüllte Familie in der Kirche, und versuchte, ein wenig Bärenenergie für diesen letzten Vorstoß zu sammeln, aber sie weigerte sich hartnäckig, aus ihrem Winterschlaf zu erwachen.
Sie umrundeten eine Flussbiegung, schossen an ein paar vernagelten, schneebedeckten Gebäuden vorbei, und da war es. Der Ausblick.
Valentine paddelte mit seinem Kajak zu dem von Nageezi.
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