Flug in den Weltraum
doch verblüffend einfach, die ganze Sache«, gab Hegemüller seine Ansicht zum besten, während er mit dem Finger die Linie auf der Zeichnung verfolgte. »Herr Grabbe setzt die Strahlkugel einfach in eine Art Schlitten, der sich in einer Gradführung hin- und herbewegen kann wie der Kolben einer Dampfmaschine im Dampfzylinder. Dann hat er hier noch eine Steuerung vorgesehen, welche Kugel am Ende jenes Hubes um 180 Grad um ihre Achse dreht. Es ist ja sonnenklar, daß die Anlage laufen muß wie eine Dampfmaschine ... mit dem Unterschied, daß an Stelle des Dampfdruckes die Strahlungskraft tritt. Warum sind wir eigentlich nicht selber auf die Idee gekommen, Herr Thiessen?«
»Ja warum, mein lieber Hegemüller? Warum haben die Gegner des Kolumbus das Ei nicht eingeknickt, als sie es auf die Spitze stellen sollten? Einer muß die Idee immer zuerst haben, und nachher wundern sich die andern, daß sie nicht selber darauf gekommen sind. Trösten Sie sich, Kollege; wir werden bei unseren Arbeiten noch auf andere Aufgaben stoßen, an denen Sie Ihren Witz versuchen können.«
»Wann werden die Teile für den Strahlmotor in unser Labor kommen?« wünschte Dr. Stiegel zu erfahren.
»Die Lieferung ist für morgen früh fest zugesagt«, beantwortete Thiessen die Frage. »Herr Grabbe ist mächtig hinterher gewesen und will auch morgen bei der Montage zugegen sein. Wenn alles gutgeht, wird die Maschine morgen mittag laufen können.«
»Morgen früh?« Hegemüller krauste die Stirn. »Morgen früh werde ich dabei nicht mittun können; da erwarte ich die Steinzeugkörper für neue Blitzröhren und würde auch den Kollegen Stiegel gern als Hilfe für den Zusammenbau haben.«
»Wird sich nicht machen lassen, Herr Hegemüller«, wehrte Thiessen ab. »Ihre Röhren laufen Ihnen nicht weg. Wir brauchen alle Hände für die Montage des Strahlmotors. Wenn der glücklich läuft, können wir später mit vereinten Kräften an die neuen Röhren gehen. Immer hübsch eins nach dem anderen, Herr Kollege.« Nach einigem Knurren und Brummen gab sich Hegemüller mit dem Bescheid Thiessens zufrieden.
»Was sagen Sie übrigens dazu, daß unsere beiden Japaner, die Herren Yatahira und Saraku, uns heute früh verlassen haben, um nach Tokio zurückzukehren?« fragte er unvermittelt.
Dr. Thiessen zuckte die Achseln. »Da ist nicht viel dazu zu sagen. Ihre Rückkehr in die Heimat war ja schon seit längerem eine beschlossene Sache. Trotzdem schien mir Lüdinghausen, mit dem ich gestern darüber sprach, etwas befremdet darüber zu sein.«
»Aber der Abschied soll doch in Frieden und Freundschaft stattgefunden haben«, bemerkte Dr. Stiegel dazwischen.
Thiessen nickte. »Das schon, Herr Stiegel. Aber eine leichte Verstimmung scheint doch auf beiden Seiten vorhanden gewesen zu sein. Ich halte es nicht für unmöglich – es ist freilich nur eine Vermutung von mir –, daß die beiden Herren irgendwie Witterung von unseren Fortschritten bekommen haben.«
»Das ist gänzlich ausgeschlossen, Herr Doktor Thiessen«, platzte Hegemüller mit seiner Ansicht heraus, »wir haben uns von niemandem in die Karten gucken lassen, haben auch zu niemandem ein Wort über unsere Arbeiten gesprochen.«
»Gewiß, mein Lieber –«, Thiessen drohte ihm mit dem Finger, »– aber ein bißchen Feuerwerk und Knallerei haben Sie sich geleistet. Glauben Sie, daß die Herrschaften aus dem Fernen Osten nicht auch Augen und Ohren haben? Sehr scharfe sogar, das kann ich Ihnen versichern. Erst das beschädigte Glasdach, danach unsere Arbeiten in der Schleudergrube ...«
»Die hatten wir doch sicher eingezäunt«, unterbrach ihn Hegemüller.
»Versuchen Sie doch mal, fünf Minuten lang logisch zu denken«, wies ihn Thiessen zurecht. »Plötzlich wird um die Schleudergrube, die bis dahin frei und offen dalag, ein Zaun errichtet. Was wird man daraus schließen? Natürlich doch nur das eine, daß in der Grube Versuche gemacht werden, die geheim bleiben sollen. Zugegeben, Herr Hegemüller?«
Wenn auch widerstrebend, gab Dr. Hegemüller die Richtigkeit dieser Behauptung zu. »Daß in der Schleudergrube nur Versuche gemacht werden, bei denen man mit Explosionen rechnen muß«, führte Thiessen seine Schlußkette weiter, »ist allgemein bekannt. Daß die Arbeiten diesmal nicht von uns gemacht wurden, konnten die Japaner ohne besondere Schwierigkeiten in Erfahrung bringen, und nun steht die Frage offen, was mußten sie daraus schließen? Nun, wenn Sie es nicht sagen wollen, will ich es
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