Flug in den Weltraum
Seite, und es drohte die Gefahr, daß der Block aus seiner Richtung kam, daß die Kugel dadurch frei wurde und mit elementarer Gewalt ihre eigene Bahn verfolgte. Nur einen knappen Meter betrug die Weglänge, aber es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sie glücklich überwunden war und die Kugel langsam in den Schlitten hineinglitt. Das Schwerste war damit überwunden, doch längst noch nicht alles getan. In einem Schneckentempo holten die Flaschenzüge die Kugel Millimeter um Millimeter in den Schlitten hinein, bis sie endlich nach atemraubenden Minuten dessen Mitte erreichte, bis Grabbe und Thiessen gemeinsam den neuen Stahlbolzen einschieben konnte, der sie nun sicher mit dem Schlitten verband.
»So! Die kommt uns nicht mehr weg!« Thiessen sagte es, während er den Hammer aus der Hand legte, mit dem er soeben den Bolzen eingetrieben hatte. Grabbe war indessen damit beschäftigt, jene Steuerung einzubauen, die bereits am vergangenen Tage die Bewunderung von Dr. Stiegel erregt hatte. Eine überraschend einfache Idee lag ihr zugrunde; handelte es sich doch nur darum, am Ende jedes Hubes die Kugel um ihren Bolzen zu drehen. Nun mußte es sich zeigen, ob sich auch betriebsmäßig bewähren würde, was auf dem Papier so überzeugend wirkte. Die letzte Schraube hatte Grabbe angezogen; nun trat er einen Schritt zurück, um sein Werk noch einmal zu überschauen. Schmuck und blinkend stand die Maschine da, aber sie rückte und rührte sich nicht.
»Was ist das?« fragte Dr. Stiegel. »Warum läuft der Motor nicht?«
»Weil er auf dem toten Punkt steht, Kollege«, beantwortete Thiessen die Frage und griff in die Speichen des Schwungrades. Mit Gewalt wuchtete er daran, drehte es um einige Zoll weiter, und dann kam plötzlich Leben in die bis dahin tote Maschinerie. Erst langsam noch, doch gleich danach schnell und immer schneller begann sich das Schwungrad unter der treibenden Kraft der Strahlkugel zu drehen. Schon waren seine dahinwirbelnden Speichen nicht mehr einzeln zu erkennen, waren zu einer schimmernden durchsichtigen Scheibe geworden.
Dr. Thiessen blickte auf den Tourenzeiger. »Der Motor geht uns durch«, wollte er rufen, als Grabbe schon nach dem Regelrad der Steuerung griff. Ein paar Drehungen daran, und der Motor mäßigte sein Tempo und lief, wie es vorgesehen war, mit dreihundert Umdrehungen in der Minute. Hin und her jagte der Strahlkolben in dem Zylinder, in blinkendem Spiel drehte sich das Schwungrad um seine Achse. Regelmäßig wie ein Uhrwerk arbeitete die Steuerung. Lange Zeit standen Grabbe und Thiessen vor der Maschine, ohne ein Wort zu sprechen, bis endlich der Chefingenieur das Schweigen brach.
»Man müßte ihre Kraft ausnutzen«, meinte er jetzt zu Dr. Thiessen. »Ich will sehen, daß ich eine dazu passende Dynamomaschine bekomme.«
»Wissen Sie, was wir dann hier in unserem Labor haben würden?« fragte Thiessen und gab gleich selbst die Antwort auf seine Frage. »Wir hätten hier das erste durch Atomenergie betriebene Elektrizitätswerk. Unser Laboratorium würde in der Geschichte des menschlichen Fortschritts einen besonderen Platz einnehmen. Noch nach Jahrzehnten, ja nach Jahrhunderten würde man es nun als die Stätte betrachten, von der ein neues Zeitalter seinen Ausgang nahm.«
Grabbe hielt es für angebracht, ein wenig Wasser in den Wein der Begeisterung zu gießen, und sprach von harter Arbeit, die noch zu tun bliebe, obwohl er selber von dem Erreichten ebenso stark hingerissen war wie Dr. Thiessen.
In übler Laune war Dr. Hegemüller in das Kasino gegangen, saß dort bei einer Tasse Kaffee und blätterte mißmutig in den ausliegenden Zeitungen. Immer wieder gingen seine Gedanken zu der Halle zurück, wo Thiessen jetzt die letzte Montage machte. Warum hatte der zwei einfache Werkleute für die Arbeit herangezogen und ihn, seinen alten Assistenten, einfach fortgeschickt? Gewiß, er war ein Draufgänger, das mußte er sich selber eingestehen. Öfter als einmal hatte es bei seinen Experimenten Zwischenfälle gegeben; aber hatte er durch sein forsches Vorgehen nicht auch Bedeutendes erreicht? War dieser neue, so wirksame Strahlstoff nicht ihm allein zu verdanken? Er nahm sich vor, das Dr. Thiessen bei nächster Gelegenheit einmal gründlich klarzumachen, und dieser Entschluß wirkte beruhigend auf ihn.
Es gelang ihm danach, seine Gedanken zu sammeln und den Inhalt des Zeitungsblattes, das er immer noch in der Hand hielt, wirklich zu erfassen. Nachrichten aus aller Welt durchflog er und
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