Flug in den Weltraum
Lüdinghausen seine Rede unterbrechen und seinen Zuhörern Zeit geben, ihre eigenen Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Erst dann konnte er fortfahren.
»Bis jetzt«, sagte er, während er auf das noch immer mit ruhiger Flamme weiterbrennende Stückchen Zucker wies, »habe ich von der Ähnlichkeit der beiden Vorgänge gesprochen; jetzt will ich von der Unähnlichkeit reden. Mit Zucker und Asche können Sie kein Malheur anrichten, ganz gleich, in welchen Verhältnissen Sie die beiden Stoffe mischen. Bei unseren Versuchen im Labor aber ist das ganz anders, da müssen wir den Zusatz mit größter Vorsicht dosieren und nur ganz behutsam Schritt für Schritt weitergehen, wenn wir nicht riskieren wollen, daß uns die ganze Bude in die Luft fliegt. Ja, meine Herren«, schob Professor Lüdinghausen die Einwendungen seiner Tischgenossen beiseite, »es lag mir daran, Ihnen das noch einmal nachdrücklich ans Herz zu legen. Halten Sie sich auf das genaueste an die Vorschriften. Legen Sie das Ergebnis jedes neuen Versuches sorgfältig in einem Protokoll fest. Verstärken Sie die Zusatzmengen von Versuch zu Versuch höchstens nach Milligrammen. Nur dann haben wir Aussicht, von unangenehmen Überraschungen verschont zu bleiben.« So nachdrücklich und mit solchem Ernst hatte Lüdinghausen die letzten Worte gesprochen, daß niemand etwas darauf zu erwidern vermochte.
Erst nach Minuten brach Yatahira das Schweigen. »Wir werden nach Ihren Worten handeln, Herr Professor. Sie haben uns den Weg gewiesen und seine Gefahren gezeigt. Immer das große Ziel vor Augen, wollen wir ihn vorsichtig beschreiten.«
»Ich danke Ihnen, Herr Yatahira. Ich kenne Ihre Gewissenhaftigkeit und wünsche Ihnen den besten Erfolg für Ihre Arbeiten.« Lüdinghausen streckte dem Japaner die Rechte entgegen und fühlte den kräftigen Druck von dessen Hand in der seinen. »Es wird Zeit, an unsere Arbeit zu gehen«; er erhob sich und gab damit das Zeichen zum Aufbruch. Die Mittagsstunde im Kasino war beendet.
Chefingenieur Grabbe und Dr. Thiessen schritten im Schein der Frühlingssonne über einen weitläufigen Hof nach der Halle hin, in der sich ihre Arbeitsstelle befand.
»Was haben Sie, Kollege?« fragte Grabbe den Doktor, »Sie machen ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.«
»Ich ärgere mich über Lüdinghausen«, brachte Thiessen brummig heraus, »er sagt den Herrschaften aus Tokio Elogen, als ob sie Gott weiß was wären und könnten; für uns findet er selten ein Wort der Anerkennung.«
»Er wird seine Gründe dafür haben, mein lieber Thiessen. Ich glaube sogar, daß er das heute bei Tisch nicht ohne eine bestimmte Absicht gesagt hat.«
»Wie meinen Sie das?« unterbrach ihn Thiessen.
Grabbe lachte: »Sie kennen sicher auch die Geschichte von dem japanischen Schneider, der den Auftrag bekam, für ein englisches Kriegsschiff zwanzig Paar Schifferhosen zu liefern, und weil ...«
»Olle Kamellen, Grabbe! Weil auf der Hose, die er als Muster bekam, ein Flicken war, setzte er auch auf die zwanzig neuen Hosen Flicken. Was hat das mit den Herren Yatahira und Saraku zu tun?«
»Japanische Gewissenhaftigkeit, Kollege. Manchmal etwas übertrieben, wie die Geschichte von den Flicken beweist, aber immerhin ... Lüdinghausen kann sicher sein, daß Yatahira und Saraku sich genau an die Vorschriften halten, während ...«
»Wollen Sie etwa behaupten, Herr Grabbe, daß das bei uns nicht der Fall ist?«
»Stopp, Doktor! Bitte halb so wild! Ich meine nur, daß unsere Leute nicht die Engelsgeduld der Söhne Nippons besitzen ... daß sie in dem mir durchaus verständlichen Bestreben, möglichst schnell zum Ziele zu kommen, vielleicht nicht immer die notwendige Vorsicht bei den Versuchen walten lassen.«
»Sie dürfen überzeugt sein, daß Ihre Befürchtung grundlos ist«, verteidigte Dr. Thiessen seine Leute.
Als dies Gespräch auf dem Werkhof stattfand, waren die beiden Assistenten Thiessens im Laboratorium bereits bei der Arbeit. Während Dr. Hegemüller vor einer Mikrowaage stand, hantierte Dr. Stiegel mit einem Bunsenbrenner, der nicht recht so wollte, wie er sollte.
»Das Ding funktioniert nicht; damit können wir die Röhre nicht zuschmelzen«, meinte er nach längerem vergeblichem Bemühen. »Ich will zum Kollegen Rieger gehen und sehen, daß ich da einen besseren Brenner bekomme.«
Dr. Hegemüller, der eben im Begriff war, den Zusatz für die Antikathode abzuwiegen, nickte und schaute seinem Kollegen einen Augenblick nach, als der den Raum
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