Flug in den Weltraum
wundervolles Verkehrsmittel werden, ein schnelleres und zuverlässigeres als das Flugzeug. Wir werden unsere nächste Konstruktion danach einrichten müssen, denn so ganz einfach war der Flug von Tokio nach Gorla mit meiner ersten Maschine nicht.« Während Lüdinghausen zustimmend nickte, fuhr Hidetawa fort, seine Ansichten zu entwickeln, und kam dabei zu Ausführungen, die sich nicht allzusehr von denen unterschieden, die noch nicht vierundzwanzig Stunden später Professor O’Neils Watson gegenüber machte.
Auch er entwarf seinen Zuhörern das Bild einer vergrößerten, bis in alle Einzelheiten sorgfältig durchkonstruierten und mit allen Bequemlichkeiten für die Reisenden ausgestatteten Rakete. »In welchen Höhen soll diese Maschine der Zukunft verkehren?« fragte Hegemüller, als Hidetawa eine kurze Pause machte.
»Ich denke, in etwa hundert Kilometer Höhe«, meinte der Japaner. »Die Atmosphäre ist in dieser Höhe bereits so dünn, daß man ohne Schwierigkeit mit einem Kilometer in der Sekunde fliegen kann, und das dürfte wohl für alle Zwecke genügen. Nehmen Sie beispielsweise die Strecke Berlin–New York. Die Rakete würde den sechstausend Kilometer langen Weg in einer Stunde und vierzig Minuten bewältigen können, und so viel Zeit dürfte wohl jeder Reisende übrig haben.«
Dr. Hegemüller konnte nicht länger an sich halten. »Aber man könnte doch höher gehen und viel schneller fliegen«, platzte er heraus.
»Sicher könnte man es, Herr Doktor Hegemüller«, erwiderte Hidetawa mit unerschütterlicher Ruhe. »Aber es wäre nicht klug, es zu tun.«
»Warum denn nicht?« fragte Hegemüller.
»Aus zwei Gründen, Herr Doktor. Erstens der kosmischen Strahlung wegen. Wir wissen nicht, wie stark diese Strahlung in großen Höhen ist. Sie könnte vielleicht die Gesundheit, ja sogar das Leben der Reisenden gefährden.«
»Das ließe sich wohl durch Messungen sehr schnell feststellen«, bemerkte Chefingenieur Grabbe.
Hidetawa nickte. »Gewiß, das ließe sich feststellen. Doch es bleibt noch ein anderer schwerwiegender Grund, nicht allzu große Höhen aufzusuchen. Man würde sich dadurch außerhalb des Schutzes begeben, den die Erdatmosphäre uns gegen die stets in großen Mengen auf die Erde niederstürzenden Meteoriten gewährt. Die beste und betriebssicherste Rakete wäre verloren, wenn sie von einem Meteorstein mit zehn- oder zwanzigfacher Granatengeschwindigkeit getroffen würde. Solchen Gefahren darf man ein Verkehrsmittel selbstverständlich nicht aussetzen.«
Die Enttäuschung in Hegemüllers Zügen war so unverkennbar, daß Hidetawa noch einmal das Wort nahm.
»Die Strahlrakete, Herr Doktor«, fuhr er fort, »gibt uns die Möglichkeit, aus der Erdatmosphäre hinaus in den freien Weltraum vorzustoßen. Sicherlich werden solche Entdeckungsfahrten auch von den Forschern unternommen werden, doch das hat nichts mit dem Verkehr zu tun; es ist und bleibt vielmehr ein gefährliches Unterfangen, das zwar im Interesse der Wissenschaft erwünscht, ja sogar notwendig ist, bei dem die Betreffenden aber jedesmal ihr Leben riskieren.«
»Wenn es erst soweit ist, fliege ich mit«, rief Hegemüller begeistert. »Ich melde mich hiermit für den ersten Flug in den Weltraum an!«
»Bleiben Sie bei sich, Kollege«, sagte Grabbe und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. »Vorläufig brauchen wir Sie noch hier unten. Später, wenn Sie Ihre Aufgaben gelöst haben, können Sie sich meinetwegen an einem Spazierflug nach dem Mond beteiligen ... wenn sich jemand findet, der Sie mitnimmt.«
Lüdinghausen hatte den Erguß Hegemüllers belustigt mit angehört. Jetzt nahm er das Wort, um die Verhandlung sachlich zu führen.
»Herr Hidetawa ist bereit«, erklärte er, »einige Tage in Gorla zu bleiben, um hier in gemeinsamer Beratung mit uns die Pläne für eine Verkehrsrakete vorzubereiten. Er wird im Gästehaus des Werkes wohnen, ebenso Herr Yatahira. Für heute lohnt es sich nicht mehr. Morgen ist Sonntag, ein Ruhetag für uns alle, und übermorgen früh wollen wir unsere Besprechungen beginnen. Ich denke, wir treffen uns dann am besten um neun Uhr bei Ihnen, Herr Grabbe, und machen uns gemeinsam an die Arbeit.«
Mißmutig schlenderte Dr. Hegemüller nach Werkschluß durch die Hauptstraße Gorlas auf seine Wohnung zu. Was die Herren heute im Kasino besprochen hatten, war ja alles ganz schön und ordentlich, aber für den quecksilbrigen und stets unternehmungslustigen Hegemüller viel zu nüchtern. Neue
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