Flug in den Weltraum
fügten Lüdinghausen und Grabbe sich seinem Wunsch und traten in die Besprechung ein, doch mit ganzem Herzen waren sie nicht bei der Sache. Die etwas geheimnisvoll klingenden Worte ihres japanischen Freundes wollten ihnen nicht aus dem Kopf. Öfter als einmal wanderten ihre Blicke von den Skizzen, die Hidetawa ihnen vorlegte und erläuterte, nach dem Zifferblatt der Wanduhr. »Bald« hatte Hidetawa gesagt – aber die Uhr zeigte zehn, elf, zwölf Uhr, und die beiden waren noch immer nicht da. Und als man schließlich die Besprechung der Pläne unterbrach, um sich zum Mittagessen in die Werkskantine zu begeben, zeigten sich sämtliche Teilnehmer der unvollständigen Konferenz sichtlich irritiert. Hidetawa und Saraku schienen nachdenklich und irgendwie bedrückt. Bei aller Hochachtung vor Hidetawa nahm sich Grabbe doch vor, dem eigenwilligen Hegemüller unter vier Augen gehörig den Kopf zu waschen, und auch Lüdinghausens Laune war nicht die allerbeste.
Die Mahlzeit verlief recht einsilbig. Jeder der vier Männer war mit seinen Gedanken beschäftigt. Grabbe und Lüdinghausen waren ärgerlich, aber der Ärger wäre rasch tiefer Besorgnis gewichen, hätten auch sie gewußt, was den beiden Japanern bekannt war: der versuchte Erstflug einer bemannten Rakete in die unbekannten Gefahren des Weltraums. Nicht bloß kosmische Strahlen und Meteoriten bedrohten die Weltraumfahrer. Vielfach waren die Fragen, die erst im Laufe des Fluges ihre Beantwortung finden konnten. Würde der vorgesehene Hitzeschild die Rakete und deren Insassen vor dem Verglühen bewahren? Wie würde sich die Treibkraft der Strahlflächen im luftdünnen und -leeren Raum des Weltalls auswirken? Konnte die so plötzlich in völlig andere Umwelt versetzte physische und psychische Konstitution der Raumfahrer diese geänderten Bedingungen überleben? Würden die in der Rakete eingebauten Sauerstoffapparate genügen, um die beiden Forscher vor dem Ersticken zu bewahren? Wie würde sich das zu erwartende Stadium einer Schwerelosigkeit im Weltraum auf menschliche Organe auswirken? Konnten sich nicht Beeinträchtigungen und Schädigungen der Gehirnfunktion, der Herztätigkeit, der Blutzirkulation ergeben?
Derlei und noch viele andere Fragen und Sorgen beschäftigten insbesondere Professor Hidetawa, wenn er sich auch äußerlich wenig davon anmerken ließ. Seiner Berechnung nach konnte die Rakete bereits längst von ihrem Mondflug zurück sein, vorausgesetzt – ja nun, eben vorausgesetzt, daß sie überhaupt noch zurückkam. Es wurde zwei, drei, es wurde vier Uhr. Der japanische Professor suchte sich selbst und die andern durch sachliche Erörterungen weiterer Konstruktionsverbesserungen von der wachsenden inneren Unruhe abzulenken.
»Es wird sich also empfehlen, bei dem Bau für die äußere Form einen liegenden an Stelle eines stehenden Zylinders zu wählen«, hatte Hidetawa soeben gesagt, als die Uhr anhub, die fünfte Stunde zu schlagen. Im gleichen Augenblick klopfte es an der Tür, und die Erwarteten traten ein. Yatahira hatte eine ziemlich umfangreiche Mappe unter dem Arm, Hegemüller hielt ein Schreibheft in der Hand.
Lüdinghausen sah die beiden an und wunderte sich über ihr Aussehen. Ihre Gesichter waren gerötet, ihre Augen glänzten wie im Fieber, und eine eigenartige Spannung lag in ihren Zügen.
Übernächtig sehen sie aus; als ob sie in kein Bett gekommen wären; als ob sie sich durch irgendwelche Reizmittel munter erhielten, ging es Grabbe durch den Sinn.
Yatahira hatte die Mappe inzwischen vor Hidetawa hingelegt. Der schlug sie auf und nahm das erste Blatt heraus. Lüdinghausen, der neben ihm saß, sah, daß es eine fotografische Aufnahme im Folioformat war. Das Bild stellte eine Art Gebirgslandschaft dar, einen kreisförmigen Krater. Mit großer Schärfe zeigte es Felsschroffen und Schlünde.
»Wie finden Sie die Aufnahme, Herr Professor?« fragte Hidetawa, während er das Blatt vor Lüdinghausen hinschob.
Dessen Blick ging abwechselnd zwischen der Fotografie und Hidetawa hin und her.
»Ich möchte es für eine Mondaufnahme halten«, begann er unsicher. »Ähnliche Aufnahmen wurden mit dem großen Spiegelteleskop der Hamilton-Sternwarte gemacht ...«
»Sie haben recht, Herr Professor, es ist der Mondkrater Kopernikus, doch wir brauchten kein Spiegelteleskop dazu, das Bild wurde mit einer einfachen Tele-Kamera aufgenommen«, sagte Yatahira.
Kopfschüttelnd ließ Lüdinghausen das Blatt sinken. »Mit einer einfachen Kamera?« fragte er
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