Flurfunk (German Edition)
einlassen! In der mit Kerzen geschmückten Wanne mit Ingweröl entspannen und Aimee Man dazu hören. Gab es eine bessere Art, einen dunklen Herbstabend zu verbringen?
Später den Kamin anmachen, sich in eine Decke hüllen, mit einer Tasse grünem Tee und einer schnurrenden Cara zu meinen
Füßen. Die Tante in ihrem seltsamen beigefarbenen Kostüm aus der Sheba-Werbung konnte gegen Caras und meine heile Welt einpacken! Dazu ein spannendes Buch und den prasselnden Kamin.
Justus schickte ich eine sms; es würde bei ihm spät werden, und ich wollte früh zu Bett. Auf mein morgiges Treffen mit Annabelle wies ich absichtlich nicht mehr hin.
Gegen elf wollte ich gerade schlafen gehen, als die Tür aufging und Lena völlig sauer und weinend hereinstapfte.
»Lenchen! Was ist denn los?«, rief ich erschrocken.
»Nichts. Was soll schon sein? Casper ist ein gewissenloses, skrupelloses, angepasstes Schwein.«
Okay. Früh schlafen gehen fiel auch heute flach. Das würde eine längere Nacht werden.
»Jetzt komm erst mal rein und erzähl!«
Ich schob Lena zu mir ins Zimmer. Wir setzten uns aufs Bett.
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Wir waren beim Empfang seiner Eltern. Diese Veranstaltung stellte sich als Modenschau heraus.«
»Und jetzt weinst du, weil sie die letzte Saisonware präsentiert haben oder wie?«, versuchte ich die Stimmung aufzuheitern.
»Sehr witzig! Die Modenschau war keine gewöhnliche Modenschau. Die neue Winterkollektion für Pelzmäntel wurde vorgeführt!«
Autsch! Ausgerechnet Pelzmäntel! Ein rotes Tuch für Lena, gleich nach kosmetischen Tierversuchen.
Was hatte sie mit meiner Mutter schon für Diskussionen deshalb geführt! Geschlachtete Robbenbabyfotos mitgebracht, auf die Haltung hingewiesen. Alles vergebens, denn meine Mutter konnte stur sein, wenn man versuchte sie zu bekehren. Ich hatte das Problem auf andere Weise gelöst. Ein zufällig dahingeworfener Satz, ich fände, Pelz würde irgendwie auftragen und sie auch leicht älter erscheinen lassen, und meine Mutter ward nie wieder im Tierfell gesehen.
»Dass du das von Caspers Eltern nicht prickelnd fandest, kann ich mir schon vorstellen, aber was hat es mit Casper zu tun?«
»Na, er hat überhaupt nichts dagegen unternommen! Sondern gemeint, ich solle mich zusammenreißen. Da macht er einen auf bewusst leben und tut so, als ob ihm auch andere Dinge als Geld und Luxus am Herzen liegen … und dann so was! Dieser Wolf im Schafspelz!«
»Wohl eher Wolf im Nerzpelz!«
Lena stimmte gegen ihren Willen in mein Lachen ein.
»Stell dir mal vor, du hättest erst die Häppchen abgelehnt – ›Danke nein, ich bin Vegetarierin‹ und dann noch die Pelzmäntel mit Farbe besprüht! Was für ein Auftritt! Caspers Eltern hätten ihn sofort zur Adoption freigegeben!«
»Ach, Lotte! Auf alle Fälle bin ich unter Protest aufgestanden und habe noch vor Ort Schluss gemacht. Casper rief mir hinterher, dass ich unreif und intolerant sei und dass er nichts dafür könne, wenn seine Mutter Pelze mag. Er könne sie eben nicht ändern, und das müsse er auch nicht. Es sei nicht seine Aufgabe, und ich solle mal aufwachen und begreifen, was machbar sei und was nicht!
Das haben ziemlich viele Gäste mitbekommen, seine Eltern natürlich auch. Ein Getuschel war das, kann ich dir sagen! Na ja, jetzt sind sie mich endlich los. Hab da eh nie hingepasst. Ich dachte nur, Casper sei anders!«
Sie fing wieder an zu schluchzen. Wenn ich mir vorstellte, wie Lena in der Marmorhalle der Krögers eine Szene hinlegte, musste ich grinsen. Das hatte das Haus noch nie gesehen! Es konnte nicht lange dauern, bis sich das in diesen Kreisen herumsprach. Bestimmt rief meine Mutter morgen an, um alles noch mal aus erster Hand zu erfahren und es weitertratschen zu können.
»Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich dir einmal diese Frage stellen würde, weil es normal ja immer umgekehrt läuft, aber kann es nicht sein, dass du, was Casper angeht, vorschnell agiert hast?«
Lena schaute jämmerlich drein und zuckte mit den Achseln.
»Zuerst war ich felsenfest davon überzeugt, aber in der U-Bahn kamen mir erste Zweifel, und jetzt vermisse ich ihn sogar. Aber ich kann doch meine Überzeugungen nicht über Bord werfen!«
Theoretisch hatte sie Recht – und wie! Leider hatte mich die Praxis, was meine Prinzipien betraf, in Form von Justus eingeholt, und so wusste ich nur zu gut, dass Theorie und Praxis gern mal auseinander klafften, besonders wenn es einen richtig erwischt
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