Flurfunk (German Edition)
einzuwerfen. Arme Mimi, wir waren ihr keine große Hilfe.
»Mimi, mach einfach das, wovon du denkst, dass es dir gut tut, okay?« Ich unternahm einen schwachen Versuch zu retten, was zu retten war.
»Und wenn das beinhaltet, dass du mich mit ihm bekannt machst, hätte ich nichts dagegen einzuwenden!«
»Tim! Komm endlich von diesem Trip runter und denk mal an Mimi!«
Tim zog eine Schnute. »Wieso? Ich hab doch sonst nichts in meinem armseligen Leben!«
»Ich dachte, du bist verliebt?«
Das war der falsche Einwurf.
»Danke, Lotte, dass du mich daran erinnerst! Meine völlig aussichtslose Liebelei! Wir drei können uns die Hände reichen, so souverän, wie wir auf Liebespfaden unterwegs sind. Mit unseren Macken bekommen wir sicher Gruppentherapierabatt!«
Zum Glück mussten wir ins nächste Meeting. Es ging wie so oft in letzter Zeit um den TV -plus-Award.
Die Vorbereitungen wurden immer präziser. Immerhin waren Einladungen an Journalisten, Ehrengäste, Sportler, Wirtschaftsbosse, Moderatoren, Models und die Film-Musik-Branche verschickt worden. Die Zusagen ergaben das neueste Who is Who. Die Verleihung war renommiert, und jeder, der etwas auf sich hielt, war erpicht, sich auf der Veranstaltung zeigen zu dürfen.
Die Sonderwünsche lasen sich wie die kleine Neurosenfibel für Stars. Fünfzig schwarze Handtücher anstatt weißer, das war noch der harmloseste Wunsch. Von Zimmer in anderer Farbe streichen und Möbel austauschen hatte ich zuvor in den Klatschspalten gelesen, dass es zutraf, durfte ich nun erfahren. Besondere Essenswünsche fand ich noch plausibel: Ich würde auf Tour oder im Ausland auch mal mein Lieblingsessen haben wollen. Kerzen und Blumen fand ich auch okay, um ein Hotelzimmer etwas persönlicher zu gestalten. Vollkommen durchgeknallt waren Wünsche, die erst eine karmische Reinigung des Zimmers erforderten oder eine exakte Liste, wer zuvor in diesem Zimmer geschlafen hatte, plus Bestimmung der Aura des Gastes. Ja, man konnte schon auf seltsame Gedanken kommen, wenn man zu lange auf Tour war.
Nie hätte ich für möglich gehalten, wie viel politisches Geschick hinter einer solchen Veranstaltung stand. Wie man Stars überzeugen musste, trotzdem zu kommen, auch wenn der Ex oder die Rivalin auftauchte. Was die Platzierung der Gäste aussagen konnte und wie viel Entourage mitgebracht werden durfte, die dann wie weit entfernt vor die Bühne gesetzt wurden.
Absprachen, wer in welchem Kleid in welcher Farbe und vor allem in welcher Reihenfolge auf die Bühne gehen würde.
Wer hätte gedacht, dass von diesen Fragen ein gesamtes Department lebte. Noch unglaublicher aber fand ich den Job der Scouts, die das gesamte Jahr über durch Clubs tingelten, um nach rhythmisch und optisch vorzeigbarem Publikum zu suchen, das in der Award- Nachtzum Tanzen und Kreischen in den Graben vor die Bühne gepackt wurde.
Und laut Felix war das alles noch gar nichts. Ausnahmezustand würde erst am Abend selbst herrschen. Wer das überlebte, war durch nichts mehr zu schocken und empfand einen Bungeesprung, was den Adrenalinschub betraf, als wohlige Entspannung.
Ich war aufgeregt, auch wenn ich nur kleine Handlangerarbeiten verrichten würde … Dabei sein ist alles!
Was den olympischen Gedanken betraf, so konnte ich gern auf ihn verzichten, wenn ich an das anstehende Interview mit Annabelle Leiniger dachte.
Morgen würde ich das Vergnügen haben! In einer Suite im Vivaldi fand die Aufzeichnung statt, was schon mal nicht optimal war, weil es kein Heimspiel war. Die Fragen musste ich stellen, was zur Qualität des Interviews sicher nicht beitragen würde, denn entweder würde Annabelle nicht über ihren Schatten springen und schnippisch sein oder angestrengt sich nicht anmerken lassen, dass sie mich hasste, was auch nicht gut rüberkäme. Ich war mir sicher, dass das Interview schief gehen würde, und ich müsste dafür die Verantwortung übernehmen. Vielleicht würde Annabelle sich sogar einen Spaß daraus machen, mich ins Messer laufen zu lassen und zum Beispiel nur mit ja oder nein antworten! Ich musste unbedingt darauf achten, nur Fragen zu stellen, die man ausführlich beantworten konnte.
Wenn ich daran dachte, dass Ulli Becker womöglich die ganze Zeit hinter mir stand und die Augen verdrehte, wurde mir ganz anders.
Wäre Imka doch nur da! Sie würde Annabelle schon zu nehmen wissen. Ob ich mit Felix sprechen sollte?
Es war zwar peinlich, ihm von Justus zu erzählen, auf der anderen Seite war es noch
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