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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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leicht Verrücktes; es war das Gesicht des geborenen Enthusiasten. Er trug einen australischen Buschhut mit ledernem Kinnriemen, und ich dachte unwillkürlich, daß es für das, was wir vorhatten, eine angemessene Kopfbedeckung war. Ich nahm Bogen und Fotoapparat auf und ging mit ihm hinaus zum Wagen. Er war bis obenhin vollgepackt: zwei einfache Zweimannzelte, Bodenmatten, zwei Bogen, ein Kasten mit Pfeilen, Schwimmwesten, eine Angelrute, Lebensmittel.
    Er war ein Organisationsgenie – von ihm angesteckt, hatte ich mir auch das Seil besorgt, das jetzt an meinem Gürtel hing, obwohl ich sicher war, daß ich es nie gebrauchen würde, und auch die Fliegerkluft, denn ›Nylon trocknet so schnell‹ – und doch würde er gleich irgendeine holprige Straße nehmen, die seit fünfzehn Jahren nicht mehr benutzt worden war, und ohne Rücksicht auf sich, auf das Auto und die Mitfahrenden über Äste und Schlaglöcher dahinbrausen. Ich hoffte, es würde nicht so schlimm werden.
    Wie ich so im Licht des frühen Morgens stand, fühlte ich mich ihm besonders nahe. Er machte den Eindruck, als sei er ständig auf dem Sprung, als sähe er allem, was er unternahm, voller Freude und guter Vorahnungen entgegen. Der Alltag ödete mich an; ich fühlte mich um vieles leichter und leistungsfähiger, wenn ich mit Lewis zusammen war. Jetzt schleppte er meine Sachen zum Wagen und verstaute sie. Das Rückfenster füllte sich mit der Ausrüstung, die fast ausnahmslos verschiedene Grünschattierungen aufwies. Bevor Lewis meinen Bogen in den Wagen legte, drehte er ihn prüfend in der Hand.
    »Die Beschichtung löst sich«, sagte er und fuhr mit dem Daumen über den Rand des oberen Bogenarms.
    »Der hält schon noch was aus, glaube ich. Er sieht schon länger so aus.«
    »Weißt du«, sagte Lewis, »ich mag diesen Bogen. Man steht da und hält ihn, wenn man die Sehne losgelassen hat, und denkt, verdammt noch mal. Und dann blickt man nach vorn, und der Pfeil steckt genau im Ziel.«
    »Man gewöhnt sich daran«, sagte ich. »Er ist sehr elastisch.«
    »Und jetzt paß auf!« sagte Lewis, den Bogen spannend. »Und zack – und zack – und zack.«
    »Komm, laß uns fahren«, sagte ich. »Die Sonne steigt schon. Wir können unterwegs was essen. Im Norden wartet das Wasser auf uns …«
    Er verzog grinsend sein schmales Gesicht. »Du redest ja schon genau wie ich.«, sagte er.
    »Na und«, sagte ich und ging ein letztes Mal zurück und holte eine Tasche, in die ich in letzter Minute ein Wollhemd, ein paar Unterhemden und eine lange Unterhose für die Nacht gestopft hatte. Wir drehten uns um und winkten Martha und Dean, die dicht nebeneinander in der Tür standen, noch einmal zu. In der steigenden Sonne glänzten Marthas Brillengläser orangefarben. Ich stieg ein und schlug die Wagentür zu. Die Bögen und die Ausrüstungsgegen-stände hinter uns wogen schwer, und das Kanu drückte den Wagen herunter.
    Wir – oder zumindest ich – waren jetzt nicht mehr die, die wir gewesen waren. Wenn wir einen Unfall gehabt hätten und man uns nach unserer Ladung und nach unserer Kleidung hätte identifizieren müssen, hätte man uns für Ingenieure oder Trapper, Landvermesser oder das Vorauskommando einer Invasionsarmee halten können. Ich wußte, daß ich mich der Ausrüstung entsprechend verhalten mußte, denn sonst würde der ganze Ausflug als ein kläglicher Witz enden wie alles andere. Ich fragte mich, wo ich wohl am Abend sein würde, dachte an die vielen Schlangen, die bei der ungewöhnlichen Hitze aus ihren Löchern schlüpften, und wie mir wohl zumute sein würde, wenn ich mich an entlegenen Waldstellen im Dickicht befand, umschwärmt von Insekten, und ich war versucht – das muß ich offen bekennen –, auszuscheren, krank zu werden, irgendeine Ausrede zu erfinden.
    Ich hoffte, daß das Telefon klingeln würde und überlegte mir, was ich wohl dem Zeitungsjungen oder dem Versicherungsvertreter, oder wem auch immer, sagen könnte, damit ich aus dem Wagen steigen, Lewis gegenüber eine glaubwürdige Ausrede vorbringen und meine Kostümierung ablegen konnte. Ich wollte im Grunde wieder ins Haus zurück, noch einen Augenblick schlafen, ehe ich zur Arbeit fuhr. Oder, da ich mir freigenommen hatte, vielleicht ins Grüne fahren und ein paar Löcher Golf spielen. Aber die Ausrüstung war im Auto, und Lewis saß neben mir und grinste sein breitestes Lächeln und zeigte ganz offen, daß ich zu den Auserwählten gehörte, daß er mich für eine Weile den

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