Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
Vom Netzwerk:
ein Feld mit lauter Unkraut, und dann kam auf beiden Seiten das Clabber-Strumpfgirl aus seinem Versteck, sprang auf die Scheunenwände, und dann begannen Vat 69 und Papst’s Bier sich zu drehen, und Jesus begann zu predigen. Wir brummten weiter, glitten mit dem umgekippten Kanu auf einer langen Woge von Patentmedizinern und religiösen Erweckungsplakaten dahin. Nach einer solchen Fahrt könnte man glauben, der gesamte Süden tut nichts anderes, als dauernd Abführmittel zu nehmen und Gospelsongs zu singen; man könnte meinen, die Gedärme der Leute aus dem Süden seien für immer verstopft, könnten sich nie mehr öffnen und der Natur freien Lauf lassen. Allem Anschein nach brauchten sie ein Purgativum nach dem anderen, um es noch bis zur nächsten Kirche zu schaffen.
    Wir hielten in einem Ort, der Seluca hieß, und frühstückten in dem Lokal ›Zur fleißigen Biene‹. Es war großartig, fand ich, ein richtiges Männermahl mit Hafergrütze, Eiern, viel Butter, Gebäck und Marmelade. Meine Eingeweide stießen und rieben gegen das enge Nylonzeug, das ich trug, und als ich wieder in den Wagen stieg, wanderte die Sonne von meinem Gesicht hinunter zu einem vitalen Körperteil. Ich erinnere mich kaum noch daran, daß Lewis den Wagen startete, aber ich erinnere mich, daß ich an Martha und Dean dachte, als wir wieder auf freier Strecke waren, und wußte, daß ich zu ihnen gehörte, daß ich in jenem Haus immer willkommen war. Ich war tot und fuhr dahin, und das ist eine besondere Art von Schlaf, die keiner anderen gleicht; ich hörte, wie Lewis etwas sagte, das in mein Bewußtsein drang, aber sofort wieder hinausglitt. Später auf der Fahrt bat ich ihn, es zu wiederholen.
    » … und ich war da oben im Grass-Mountain-Nationalpark und wollte Forellen fischen. Es ist nicht sehr weit von dort, wo wir hin wollen. Ziemlich schlechte Straße da, aber mein Gott, schon der kleine Teil des Flusses, den ich gesehen habe, würde dir die Augen aus dem Kopf springen lassen. Als ich das letzte Mal in der Gegend war, fragte ich ein paar Waldläufer nach dem Fluß, aber keiner von ihnen wußte was. Sie sagten, dort oben wären sie noch nie gewesen, und die Art, wie sie ›dort oben‹ sagten, klang so, als wäre die Stelle nicht gerade leicht zu erreichen. Das stimmt wohl auch, aber dadurch wird die Sache ja erst reizvoll. Soweit ich gesehen habe, ist der Fluß ziemlich wild, aber südlich von Oree nicht mehr ganz so wild. Nur habe ich keine Ahnung, wie er weiter abwärts aussieht. Zuerst müssen wir einen Platz finden, wo wir die Boote ins Wasser bringen können. Oree liegt auf einer Art Steilufer, und höchstwahrscheinlich müssen wir auf die andere Seite gelangen, um die Boote aufs Wasser zu bringen. Aber zuerst wollen wir in Oree vielleicht noch ein paar Lebensmittel kaufen.«
    Meine Augen öffneten und schlossen sich langsam, ohne etwas zu sehen; ich sah zwar allerlei, aber nichts, das die Kraft hatte, zu bleiben oder in die Erinnerung einzugehen. Die Welt glich einem bunten Tagtraum mit vielen Objekten darin. Dann, in einem Moment, wo meine Augenlider sich ohne jeden Befehl hoben, starrte ich mit schlafendem Gehirn – aber mit geöffneten Augen – geradeaus. Wir fuhren durch die Außenbezirke einer kleinen Stadt, bogen rechts ab und fuhren durch das dürre graue Zeug, das im Süden überall an den Highways wächst. Vor uns lief die Straße zwischen zwei Hügeln hindurch. Im toten Winkel dazwischen zeichnete sich ein hoher, breiter und blauer Berg ab, er hatte die Farbe von starkem Holzfeuerrauch. Weiter dahinter waren andere, die zurückfielen, links und rechts zurückwichen.
    »Komische Sache«, sagte Lewis.
    Ich wandte mich ihm zu. »Was?«
    »Komische Sache da drüben, meine ich«, sagte er. »Alles anders da. Ich meine, die ganze Art, wie man dort lebt, und die Bedingungen, unter denen man dort lebt.«
    »Davon weiß ich leider nichts«, sagte ich.
    »Das Schlimme ist, daß du nicht nur nichts darüber weißt, sondern daß du auch gar nichts darüber wissen willst.«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil es da in den Bergen vielleicht irgendwas sehr Wichtiges gibt, verdammt noch mal. Du hast ja keine Ahnung.«
    »Nein. Habe ich auch nicht. Ich habe zwar nichts dagegen, mit dir ein paar Stromschnellen hinunterzufahren und am Lagerfeuer einen kleinen Whiskey zu trinken. Aber auf die Berge und Hügel da scheiße ich.«
    »Aber weißt du«, sagte er mit einer seltsam ruhigen Stimme, die mich aufhorchen ließ, wenn auch mit dem

Weitere Kostenlose Bücher