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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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Kornfeldern hindurchführte und dann in einen Kiefernwald hinein, wo der Weg immer abschüssiger und schlechter wurde. Eine große Kurve brachte ihn schließlich wieder in parallele Richtung zum Highway, und Lewis reckte den Kopf aus dem Wagenfenster, als wollte er den Weg in die Richtung biegen, wo er den Fluß vermutete. Dann bog er plötzlich unerwartet ab, und ich dachte schon, wir wären auf irgendwas draufgefahren. Rumpelnd und klappernd fuhr der Wagen bergab. Lewis beugte sich, Ausschau haltend, über das Steuer vor und fuhr über knackende Büsche hinweg; ich blickte nach hinten. Soweit ich sah, waren die beiden anderen Wagen nicht mehr hinter uns. Ich dachte, Lewis sei vielleicht zu schnell gefahren und die anderen hätten uns aus den Augen verloren, als er abbog, denn wenn sie wie wir abgebogen wären, hätte man sie jetzt sehen müssen. Der Weg beschrieb einen engen Halbkreis und war dann zu Ende. Vor uns sahen wir ein paar schwarzgefaulte Bretter und dahinter einen grasumwucherten Felskamin. Eine Eidechse lief über einen großen Stein und hielt mit aufgerichtetem Kopf inne. Ein ausgedienter Sägebock stand einsam in einer Art Sandgrube.
    »Also«, sagte Lewis, »hier geht’s nicht weiter.«
    »Vielleicht sollten die drei uns zeigen, wo der Fluß ist.«
    »Mal sehen.« Er setzte zurück und quälte den Wagen herum, bis wir wieder in die Fahrspur kamen, die wir heruntergekommen waren.
    Als wir wieder an den Weg kamen, wartete dort der Kombi auf uns und dahinter Drews Wagen. Ich hatte mich schon gefragt, weshalb Drew uns nicht gefolgt war, aber es sah ihm ähnlich, hinter dem Kombi zu bleiben; er hatte keine Ahnung, wohin es ging, und richtete sich einfach nach dem, der es am besten wußte.
    Der eine Griner beugte sich aus dem Wagen heraus. »Wohin wollen Sie denn, Stadtonkel?«
    Lewis wurde rot. »Fahren Sie vor«, sagte er.
    »Nee, nee«, sagte Griner. »Sie fahren vor. So ‘n großen Fluß werden Sie doch wohl noch finden.«
    Lewis schoß wieder voran. Wir folgten dem Weg nach rechts, dann wieder nach links und bergab. Plötzlich fiel mir auf, daß zwischen den Bäumen viele Baumstümpfe standen.
    »Vielleicht ist das hier die Stelle, wo sie Holz geschlagen haben«, sagte ich.
    Lewis nickte. »Ja, ja, hier haben sie ganz schön herumgesägt«, sagte er. »Ich glaube, hier liegen wir richtig.«
    Der Weg führte weiter abwärts und wurde immer schlechter, war kaum noch vorhanden. Es war kaum zu glauben, daß hier jemals Fahrzeuge entlanggekommen waren; von Weg konnte hier wirklich keine Rede mehr sein. Wir fuhren langsam weiter. Einmal mußten wir über ein ausgewachsenes Loch hinweg, wobei die Räder kaum noch Halt fanden. Selbst mit einem Jeep hätte man es kaum geschafft. Ganz unvermittelt fiel das Gelände steil ab, auf eine Art Ufer zu, und ich fragte mich, wie man da wieder hochkommen sollte.
    »Halt dich fest«, sagte Lewis und ließ den Wagen nach vorn kippen.
    Es ging mitten durch Rhododendren und Lorbeersträucher. Ein Zweig schob sich ins Fenster und legte sich quer vor meine Brust. Wir hielten, und mir war, als laste der ganze Wald auf meiner Brust; ich blickte an mir herunter und sah, daß sich ein Blatt am Zweig im Rhythmus meines Herzens bewegte.
    Lewis hob einen Finger ans Ohr.
    »Hör mal«, sagte er.
    Ich lauschte und entfernte den Zweig nicht. Zuerst hörte ich überhaupt nichts. Aber unter dem Schweigen klang etwas hervor, ein stetiges, eintöniges, nicht enden wollendes Geräusch.
    Lewis ließ den Motor wieder an, und ich drängte den Zweig aus dem Fenster; wir kamen langsam voran, um uns raschelte und rauschte das Blattwerk. Eine hohe Uferböschung ragte vor uns, und hier hörte das, was vom Weg überhaupt noch zu sehen war, auf. Vor der Böschung befand sich ein schmaler Bach. Ich stieg aus und sah mich unwillkürlich nach Schlangen um. Warum um alles in der Welt bist du bloß hier? dachte ich. Aber als ich mich wieder zum Auto wandte, um festzustellen, was Lewis machte, sah ich mich plötzlich im Rückfenster: ein großer, hellgrüner Waldmensch, ein Forscher, ein Guerilla, ein Jäger. Ich muß sagen, daß mir dieses Spiegelbild gefiel. Auch wenn alles nur Spiel war, eine Scharade, so hatte ich mich doch darauf eingelassen, und ich war hier in den Wäldern, wo Leute wie ich eigentlich nichts zu suchen hatten. Aber für irgend etwas war es sicher gut. Ich berührte den Griff des Messers an meiner Seite und erinnerte mich daran, daß alle Männer einmal Jungen waren und daß alle

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