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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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sollen wir sie da runterfahren?«
    »Wir wollen mit dem Kanu den Cahulawassee hinunter, und wir möchten gern, daß unsere Wagen in Aintry sind, wenn wir über morgen da ankommen.«
    »Im Kanu?« sagte er und sah von einem zum andern.
    »Richtig«, sagte Lewis, und seine Augen wurden schmaler. »Mit dem Kanu.«
    »Sind Sie schon mal da unten drin gewesen?«
    »Nein«, sagte Lewis. »Sie?«
    Griner wandte Lewis sein massiges Gesicht zu; sie maßen ihre Kräfte, und die Grillen im Gras rings um die Werkstatt gaben das Waffengeklirr dazu ab. Ich sah, daß der Mann gekränkt war; Lewis hatte mir selbst erzählt, nichts sei schlimmer, als wenn man diesen Bergleuten gegenüber zu forsch auftrete.
    »Nein«, antwortete Griner langsam. »Richtig da unten bin ich noch nicht gewesen. Da gibt’s ja nichts zu holen. Nicht mal Fische.«
    »Und wie steht’s mit Jagen?«
    »Was weiß ich? Aber wenn ich Sie wäre, würde ich, glaube ich, nicht da runtergehen. Wozu auch?«
    »Weil der Fluß nun mal da ist«, sagte Lewis, und diese Antwort galt auch mir.
    »Da ist er schon«, sagte Griner. »Aber wenn Sie nicht mehr raus kommen, dann wären Sie froh, er wäre nicht da.«
    Ich fühlte eine Leere in meiner Brust, und mein Herz dröhnte wie ein Schmiedehammer. Am liebsten hätte ich gekniffen, wäre nach Hause gefahren und hätte das Ganze vergessen. Was wir da vorhatten, war mir plötzlich verhaßt.
    »Hör mal, Lewis«, sagte ich. »Zum Teufel mit der ganzen Geschichte. Laß uns zurückfahren und Golf spielen.«
    Er hörte mich gar nicht. »Also, machen Sie’s?« fragte er Griner.
    »Wieviel haben Sie gesagt?«
    »Zwanzig Dollar für zwei, dreißig für drei.«
    »Fünfzig«, sagte Griner.
    »Fünfzig, daß ich nicht lache!« sagte Lewis.
    Großer Gott, dachte ich, warum redet er in diesem Ton? Ich war zu Tode erschrocken, und ich nahm es Lewis sehr übel, daß er mich in eine solche Situation brachte. Was bist du auch mitgefahren, sagte ich mir. Aber nie wieder. Nie wieder.
    »Wie war’s mit vierzig?« sagte Griner.
    Lewis stieß mit dem Fuß einen Stein fort und fragte mich:
    »Hast du zehn bei dir?«
    Ich zog meine Brieftasche, gab ihm das Geld. »Zwanzig jetzt«, sagte Lewis zu Griner. »Den Rest schicken wir Ihnen. Bei zwanzig bar auf die Hand sind wir auch für den Rest gut. Abgemacht? Sonst lassen wir’s.«
    »Na schön«, sagte Griner, aber es klang mehr als unfreundlich. Er nahm die Scheine, musterte sie und steckte sie in die Tasche. Er ging über den Hof zum Haus hin, und wir gingen um die Werkstatt herum zum Wagen zurück.
    »Was hältst du davon?« fragte ich Lewis. »Glaubst du, daß wir unsere Wagen je wiedersehen? Das ist ein hartgesottener Bursche. Wenn der und sein Bruder mal nicht einfach damit abhauen und sie verscheuern.«
    »Schließlich wissen wir, wer er ist«, sagte Lewis kurz angebunden. »Und so leicht wird er nicht wieder zwanzig Dollar verdienen. Die Autos sind garantiert da, wenn wir hinkommen, da mach dir man keine Sorgen.«
    Nach ein paar Minuten kam Griner mit seinem Bruder, der noch größer war als er, aus dem Haus. Sie wirkten wie zwei ehemalige Fußballprofis kurze Zeit nach ihrem letzten Spiel, die nicht mehr ganz in Hochform sind und jetzt als Nachtwächter arbeiten. Der Gedanke, uns vorzustellen oder ihnen gar die Hand zu schütteln, kam uns gar nicht. Jahre später frage ich mich immer noch, was wohl geschehen wäre, wenn wir es getan hätten.
    Hinter uns tauchte Drews Wagen auf. Wir berichteten, was wir abgemacht hatten. Die Brüder und ein anderer Mann – der plötzlich aus heiterem Himmel erschienen war – kletterten in einen alten Ford-Kombi, von dem der Lack in großen Stücken bis aufs Metall abgeblättert war, und folgten uns. Mir schien, es wäre besser gewesen, wenn wir ihnen gefolgt wären, aber Lewis hatte an der Tankstelle erfahren, was er wissen wollte. Er wußte ungefähr, wo der Fluß war, er wußte, daß das Land im Norden flacher wurde und daß man in der Nähe des Flusses Holz geschlagen hatte. Daß all das möglicherweise gar nicht stimmte, machte ihm anscheinend nicht das geringste aus. Er fuhr einfach drauflos.
    Nach einer Weile bog er in einen Sandweg ein, den wir eine Zeitlang entlangfuhren. Der ockerfarbene Staub, den wir bei Lewis’ wildem Tempo aufwirbelten, legte sich dick auf den hinter uns fahrenden Kombi. Wir kamen an einigen Farmen vorbei, fuhren dann über offenes Feld und gelangten auf einen Weg, der gerade wie eine Ackerfurche zwischen zwei verregneten

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