Flußfahrt
Blechschuppen. Der Schlick war mit rostigen Metallstücken, Maschinenteilen und mit blau und grün leuchtenden Flaschenscherben übersät. Aber da war noch etwas Schlimmeres. Einige der Farbtupfen waren mehr als nur Farbtupfen, sie waren grell, unveränderlich. Drew fiel das ebenfalls auf, wenn auch aus einem anderen Grund.
»Plastik«, sagte er. »Verrottet nicht.«
»Heißt das, daß man das Zeug überhaupt nicht wieder loswird?«
»Es löst sich nicht wieder auf«, sagte er, als fände er das ganz in Ordnung.
In der Dämmerung des Nachmittags strahlten die alten Plastikbehälter ihre Farben aus wie Scheinwerferlicht. Orangefarben, gelb, glänzend blau, ›elektrisch blau‹, wie Martha, meine Frau, sagte, wenn sie von Kleidern sprach. Die weggeworfenen Plastikgegenstände waren unverletzlich in ihrer Farbe – anders als die splittrigen Holzbohlen oder als die goldbraunen Blechbüchsen mit den grausam aufgerissenen Deckeln auf den Müllabladeplätzen der Stadt, die eines Tages wieder zu Erde zerfallen würden.
Allmählich wurde der Himmel rauchdunkel, und um uns war vollständige, undurchdringliche Nacht. Einen Augenblick lang glaubte ich, dies sei der Grund dafür, daß das Wasser nicht mehr jenen milchigen, dabei aber klaren Glanz hatte wie zuvor, als wir die Boote bestiegen. Die Strömung hatte den pfeilschnellen Schwung verloren, die Zielstrebigkeit, die sie bei den Trauerweiden noch gehabt hatte. Eine Veränderung war mit ihr vorgegangen. Ich zog mein Paddel aus dem Wasser. An dem einen Ende hing eine weiße Feder. Ich schüttelte sie ab und starrte in den Fluß. Rechts von mir glitt etwas Großes, Schmutzigweißes unter Wasser vorüber. Es war ein Baumstamm, über und über bedeckt mit Hühnerfedern, und die Federhärchen waberten im Wasser hin und her – eine vollendete Symbolisierung des Brechreizes. So fühlt man sich, sagte ich mir, wenn einem richtig übel ist.
»Da muß irgendwo eine Hühnerfarm im Ort sein«, sagte Drew, halb zurückgewandt.
»Sieht ganz so aus.«
Der Fluß schien sich hier Tag und Nacht zu mausern. Auch die Felsen im Wasser hingen voller Federn, und flußabwärts waren beide Uferseiten damit bedeckt und beflaggt. Der ganze Grund, das ganze Flußbett war von einem siechen Weiß überzogen. Das Wasser um uns her war voll zierlicher Flaumfedern, die sich im Winde hochbogen wie von Kindern ausgesetzte Papierschnipsel, und sie trieben fast so schnell dahin wie wir. Und außerhalb der Federwolke, rechts, begleitet von vier oder sechs Federn, schwamm der Kopf eines Huhns, dessen halb geöffnetes, glasiges Auge mich anstarrte und mit seinem kalten Blick durchbohrte. Wären da noch mehr Köpfe gewesen, so wäre es mir nicht so sonderbar vorgekommen, aber ich sah nur diesen einen, der neben uns dahintrieb, das andere Auge abgewandt. Der halboffene Schnabel trank das schmutzige Wasser. Der Kopf drehte sich nach unten, schwamm einen Augenblick lang so weiter und wurde dann wieder von der Strömung aufgerichtet. Ich hätte ihn beinahe mit der Fläche meines Paddels getroffen, doch er entfernte sich einen halben Meter weit und ließ sich dann wieder neben uns von der Strömung dahintragen. Auf einem Flußbett von Federn trieben wir dahin, hinweg über ungerupfte Felsen und Stämme im tiefen, träge fließenden Wasser, und ich hatte mich schon damit abgefunden, daß es noch eine Weile so weitergehen würde, da bemerkte ich plötzlich, daß das Getöse in meinen Ohren irgendwie zunahm. Ich konzentrierte mich, und das Geräusch des Wassers wurde stärker und zugleich einen Ton heller. Vor uns lag wieder eine Biegung, und der Fluß schien sich anzustrengen, sie zu erreichen. Wir taten das gleiche.
Hinter der Biegung kam sie in Sicht – die erste weißschäumende Stromschnelle. Überall weiße, springende Blasen, lebhafter Gischt, der nicht gefährlich, sondern spritzig, beinahe heiter wirkte. Man empfand weniger das Toben des Wassers als seine Munterkeit und unaufhaltsame Geschäftigkeit, mit der es sich an den Felsen brach, sich heftig hochkräuselte, kleine Spiralen warf, wieder zusammensank, fiel, sich von neuem hob, über den ausgewaschenen Felsspitzen kleine Sturzkappen bildete und dann weiterfloß zu anderen Wirbeln, wo wir es nicht mehr sehen konnten, über die schwach geneigten langen Stufen des terrassenartig abfallenden Flußbetts hinweg. Ich suchte nach einer Stelle, wo wir durchkommen konnten. Drew deutete nach vorn, denn Rufen hätte keinen Zweck gehabt. Ich tauchte das Paddel
Weitere Kostenlose Bücher