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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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Schlafsäcke und in jedes Zelt eine Taschenlampe hineingebracht und die Schlangengitter aufgestellt hatten, war mir schon sehr viel besser zumute; wir hatten den Platz kolonisiert. Dann machte ich mich mit einer Taschenlampe auf, um auch noch etwas Holz zu suchen. Wenn ich einen von den anderen traf, richtete ich den Lichtstrahl auf seine Brust oder auf seine Seite, um ihn nicht zu blenden, aber irgendwie gefiel mir das nicht; denn von unten beleuchtet wirkte Bobbys Gesicht fettig, mongoloid, und Drews Gesicht sah aus, als habe man es mit Sandgebläse bearbeitet, denn da, wo seine Aknenarben waren, wurde es von nadelscharfen Schatten durchbohrt. Lewis’ Gesicht veränderte sich kaum, was mich seltsamerweise gar nicht überraschte. Der lange Schatten seiner Nase kroch zwischen den Augen empor, seine Brauen standen etwas stärker ab als sonst, aber seine tiefe Stimme kam immer genau von da, wo man sie zu hören erwartete. Er und ich standen nebeneinander und richteten die Taschenlampen auf den Fluß. Das Licht kräuselte sich leicht und schäumte wie weißes Wasser auf der ruhigen Strömung.
    Es war ein schöner, ein melancholischer Lagerplatz. Es machte mir Spaß, mit meiner Taschenlampe dazustehen und ihren Schein abwechselnd flußaufwärts und flußabwärts zu richten, aber dann dachte ich, es wäre wohl angebrachter, etwas Nützlicheres zu tun. Also holte ich meinen ungespannten Bogen hervor und hängte ihn an einen Zweig, damit alles aussah wie ein richtiges Jagdlager. Dann fettete ich wegen der Nachtfeuchtigkeit die Pfeilspitzen ein. Lewis kam zu mir herüber und fuhr mit der Hand über den Bogengriff.
    »Immer noch das alte Katapult, was?«
    »Klar«, sagte ich. »Findest du die Howard-Hill-Pfeilspitzen gut?«
    »Ja, ich glaube schon, daß sie gut sind. Als ich neulich den Bogenschützen las, stand da, daß doppelte Spitzen größere Durchschlagskraft haben. Und die müssen es schließlich wissen.«
    »Sind diese Spitzen denn nicht stärker windempfindlich?«
    »Ich habe bisher nur auf Baumstämme und Erdziele geschossen, aber sie halten genau die Richtung, soweit ich das beurteilen kann. Mit diesem Bogen jedenfalls.«
    Bobby schenkte jedem von uns einen großen Bourbon ein, und wir tranken, während Lewis im Schutze eines Steinwalls Feuer machte. Die Steine hatte er teils aus dem Boden geklaubt und teils bei den Zelten aufgesammelt. Er hatte Steaks mitgebracht. Er wartete, bis das Feuer nicht mehr loderte, und stellte dann die Pfanne darauf und tat Butter und Fleisch hinein. Der Geruch der rauchig-dampfenden Steaks war wunderbar. Wir gossen uns noch einen Bourbon ein, setzten uns auf den Boden und betrachteten den Feuerschein, der sich wabernd, aber dennoch stetig im Wasser spiegelte. Furcht, Aufregung, die Aussicht auf das Essen – alles vermischte sich in meinen Gedanken. Ich empfand Befriedigung darüber, daß wir an einem Ort waren, wo uns niemand – aus welchen wichtigen Gründen auch immer – finden konnte, daß um uns herum die Nacht war und daß wir nichts daran ändern konnten. Der bleiche Schein der Flammen auf dem Wasser floß mit der Strömung nicht fort, und das faszinierte mich … Die Flammen spielten und tanzten auf der Stelle, wie ein unverwundbarer, todessüchtiger Geist. Wir saßen da, ohne zu sprechen, und deshalb war ich stolz auf uns, und besonders stolz auf Lewis, aber ich hatte Angst, daß er gleich mit irgendwelchen Erklärungen anfangen würde.
    Ich streckte mich auf dem Rücken aus, parallel zum Fluß. Als ich die Augen öffnete und zum Wald hinübersah, war es vollkommen dunkel. Ich glaubte schon lange Zeit so gelegen zu haben. Aber dann belebte sich der Raum um mich her plötzlich. Es war Drew mit seiner Gitarre. Ich richtete mich auf, und das Wasser schien nun bereit, die Flammen zu verschlingen, obgleich sie noch immer leicht und gewichtslos auf den Wellen tanzten. Drew spielte leise, zupfte dann kräftig an einer tiefen Saite, und der Klang formte sich langsam, floß in die Weite.
    »Das habe ich mir schon immer gewünscht«, sagte er. »Ich wußte es nur nicht.«
    Er legte den Kopf zurück und schlug eine Saite nach der anderen an. Sie schimmerten in der Dunkelheit, formten vibrierende Gebilde, einsam und voll Harmonie. Dann spielte er einzelne Töne und griff auch in die Bässe.
    »Waldmusik«, sagte er. »Findet ihr nicht auch?«
    »Ja, wirklich«, sagte ich.
    Ich liebte die kräftigen, nasalen Töne, das stählerne Summen und das helle Klirren, das dem fernen Klang von

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