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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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zu paddeln. Überlaß dem Fluß die Arbeit.«
    »Der Fluß ist mir nicht schnell genug. Verdammt noch mal, ich will weg aus dieser gottverfluchten Gegend.«
    »Aber, aber«, sagte ich. »So übel ist sie doch gar nicht.«
    »Nein? Ich bin heute nacht fast aufgefressen worden von den Moskitos. Ein Stich neben dem anderen. Und von dem Schlafen auf dem scheißfeuchten Boden habe ich eine Scheißerkältung. Ich habe einen Wolfshunger auf etwas, was gut schmeckt. Und dabei denke ich nicht an Sirup.«
    »Beruhige dich, wir werden es schon schaffen … Wenn wir es schaffen. Und deiner Erkältung tut es bestimmt nicht gut, wenn wir ins Wasser fallen. Darauf kannst du Gift nehmen.«
    »Ach Scheiße«, sagte er. »Bloß weg hier. Dieser Wald hängt mir zum Hals heraus. Ich habe es satt, in Erdlöcher zu kacken. Das ist was für Indianer.«
    Nach einer Weile wurde er etwas ruhiger, und sein Nacken verlor allmählich die Röte. Alle zwanzig Meter machten wir ein paar Paddelschläge, und der Fluß trug uns vorwärts. Aber trotzdem glaubte ich, daß wir – bei seinen Nerven und bei meinem Gewicht – gute Aussichten hatten, umzukippen, bevor der Tag zu Ende ging, besonders falls noch Stromschnellen und Unterwasserfelsen kamen. Bobby und ich waren mindestens einen halben Zentner schwerer als die beiden anderen, und dadurch lag unser Kanu viel zu tief im Wasser. Wir hatten zu viel Zeug an Bord, und deshalb machte ich Lewis ein Zeichen, ans Ufer zu paddeln. Er tat es, und wir schlingerten an sein Boot ran und machten fest.
    »Es wird langsam heiß«, sagte Lewis.
    »Scheißhitze«, sagte ich. »Hast du vorhin die große Schlange gesehen?«
    »Nein. Wo denn?«
    »Sie lag auf dem Zweig von der alten Eiche, knapp zwei Kilometer zurück. Ich hab sie erst gesehen, als ihr direkt drunter wart und sie den Kopf bewegte. Ich wollte keinen Lärm schlagen, ich dachte, es könnte sie vielleicht nervös machen. Bestimmt war es eine Mokassinschlange. Ich hab davon gehört, daß diese Biester sich in Boote fallen lassen.«
    »Verdammter Mist«, sagte Bobby. »Das hat uns gerade noch gefehlt.«
    »Ja«, sagte Lewis. »Das glaube ich auch.«
    »Könntet ihr nicht etwas von unserem Zeug in euer Boot nehmen?« fragte ich. »Wir liegen zu tief und können jeden Augenblick umkippen.«
    »Sicher. Hol das Kochgeschirr und die Schlafsachen raus. Dann haben wir ungefähr das gleiche Gewicht wie ihr. Du kannst auch die Hälfte von den Bierdosen rübergeben, die noch da sind.«
    »Aber gern. Heute werden wir alle hin und wieder etwas Kühles brauchen können.«
    »Nicht nur Bier«, sagte Lewis und knöpfte sein Hemd auf. »Hier ist es flach, und die Strömung ist nicht mehr so reißend. Ich werde mich mal ein bißchen anfeuchten.«
    Ich legte die Schlafsäcke, die Hälfte der Bierdosen, den Primuskocher und alles, was dazugehörte, in das andere Kanu. Lewis war schon im Wasser, nackt, kraulte flußabwärts und zeigte dabei seinen behaarten Rücken, wie Johnny Weismüller in den alten Tarzanfilmen. Er schwamm gut, so wie er alles gut machte, und überholte sogar noch die Strömung. Dann kam er zurück, und seine Augen, eben in Höhe des Wasserspiegels, strahlten vor Befriedigung über seine Leistung.
    Ich pellte mich aus und sprang in den Fluß. Drew tat das gleiche. Der Fluß war sehr kalt. Man hatte das Gefühl, als seien Schnee und Eis darin und hätten sich eben erst in Wasser verwandelt. Aber das Wasser war wundervoll klar und lebendig; es brach sich an uns wie Glas und fügte sich hinter uns wieder zusammen. Ich schwamm ein kurzes Stück mit dem Strom. Am liebsten hätte ich auf jede weitere körperliche Leistung verzichtet – ich hatte genug von körperlichen Leistungen jeder Art, besonders aber, was mich betraf – und mich mit dem Strom treiben lassen, tot oder lebendig, wohin auch immer er mich mitnahm.
    Aber ich schwamm trotzdem zurück, anstrengende vierzig Meter gegen das beharrliche Reißen und Drängen der Strömung, und richtete mich dann neben Lewis auf, der bis zur Hüfte im Fluß stand. Das Wasser kräuselte und brach sich an seinem Bauch. Ich betrachtete ihn, denn ich hatte ihn noch nie nackt gesehen. Alles, was er im Laufe der Jahre für seinen Körper und für seine Gesundheit getan hatte, schien gerechtfertigt, wenn man ihn so stämmig im Wasser stehen sah. Er schien sich dessen selbst bewußt zu sein, als er mich ansah und meinen bewundernden Blick bemerkte. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie einen solchen männlichen Körper

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