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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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wechselten die Farben in ein immer satteres Grün. Die Strömung wurde schneller, und mit jedem Schlag der Paddel glitten wir weiter dahin. Ich dachte im stillen, daß in dem Unterholz am Ufer niemand mit uns hätte Schritt halten können. Hin und wieder blickte ich auf den straffen Bogen mit dem breiten Griff zu meinen Füßen, und auf die beiden Pfeile, die ich selbst angemalt hatte. Die orangefarbenen Federn kräuselten sich, und die geschmirgelte Doppelspitze glänzte in der Sonne wie Silber. Obgleich es mir im Kanu ziemlich schwer gefallen wäre, das nötige Gleichgewicht für einen Bogenschuß zu finden, suchte ich beide Ufer nach Hirschen ab und hoffte, daß wir bald ein großes Tier sehen würden, das vielleicht gerade seinen Durst stillte. Das wäre etwas gewesen. Wir fuhren durch tiefes, schnell fließendes Wasser und trieben dann, nach einer ruhigen, breiten Flußdehnung an einer weiteren Biegung, in ein schmales, düsteres Blattgewölbe, das Koniferen, Kiefern und Fichten von beiden Ufern her bildeten. Hier war es dunkel und dumpf, und das dichte Grün wirkte erstickend.
    Wie auf ein Signal hin zogen Bobby und ich die Paddel ein und ließen uns treiben, wie der Fluß es wollte. Lange spitze Lichtnadeln tanzten auf den Wellenkämmen, goldene Strahlen, heiß genug, daß man sie auf der Haut spürte, und fast so kompakt, daß man sie auf der Wasserfläche wie dünne Nägel hätte einsammeln können. Danach war das Ufer wieder von wild wuchernden Wiesen bedeckt, auf denen das Gras bis zu zwei Meter hoch stand. Ein schwarzgrauer Gegenstand rutschte ins Wasser, und erst Augenblicke später begriff ich, daß es eine Schlange gewesen war. Etwa sechs Meter vor uns durchquerte sie den Fluß, schwamm, als kraule sie, den Kopf über Wasser, zum anderen Ufer hinüber, glitt, ohne ihre Bewegungen zu verändern, aus dem Wasser hinaus, ein Wesen von eigentümlichem Reiz, von eigentümlicher Bewegung, ein Wesen, für das es keine Hindernisse gab. Wir machten lange, langsame Paddelschläge. Ich hatte mich, so gut es ging, Bobbys Rhythmus angepaßt, und allmählich gelang es mir, genau dann das Paddel einzutauchen, wenn er es auch eintauchte. Ich fand, er hätte über diesen Fortschritt froh sein müssen, aber ich sagte nichts, da ich fürchtete, ihn dadurch wieder aus dem Takt zu bringen.
    Zwei Stunden, nachdem der Reiher uns verlassen hatte, waren unsere Bierdosen leer. Die Sonne brannte auf die kahle Stelle meines Kopfes, und die Nylonhosen klebten mir an den Beinen. Meine Zunge schwoll an, und mein Rückgrat schien mir durch die Haut zu splittern. Zwischen zwei Paddelschlägen tastete ich prüfend meinen Rücken ab. Die Kante des Sitzes schnitt in meinen rechten Oberschenkel, doch saß ich in der einzigen Haltung, in der ich dem Fluß gewachsen war. Die Schmerzen verbündeten sich miteinander, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich sah mich um. Das andere Kanu kam gerade hinter der letzten Biegung hervor. Lewis war ein Stück zurückgeblieben – ich glaube, er wollte uns in Sicht behalten, falls irgend etwas schiefging. Jedenfalls waren die beiden ein paar hundert Meter hinter uns und waren nicht mehr zu sehen, als wir in eine neue Biegung hineinfuhren und ich mit meinem Paddel auf das linke Ufer deutete. Ich weiß nicht, ob sie mich noch gesehen haben oder nicht; jedenfalls hatte ich vor, sie heranzuwinken, wenn sie vorbeikamen. Ich wollte mich in den Schatten legen und ein Weilchen ausruhen. Ich hatte Hunger und hätte gern noch ein Bier getrunken. Wir tauchten die Paddel ein und steuerten hinüber.
    Als wir das Ufer fast erreicht hatten, hörten wir ein Rauschen unter den Bäumen. Die Blätter bewegten sich an einer Stelle wie im Wind; das frische, grünweiße Wasser eines Wildbachs schäumte in den Fluß. Wir ließen uns noch etwas treiben und kamen knapp sechzig Meter weiter flußabwärts ans Ufer. Ich paddelte kräftig, damit das Kanu auf der Stelle blieb, während Bobby hinaussprang und es vertäute.
    »Das war ja wieder die reinste Arbeit«, sagte Bobby, als er mir die Hand hinhielt.
    »Mein Gott«, sagte ich. »Ich bin langsam zu alt für solche Scherze. Aber wenn’s dem Esel zu wohl wird, begibt er sich aufs Wasser …«
    Bobby setzte sich auf den Boden und löste das Taschentuch, das er sich um den Hals gebunden hatte. Er beugte sich über den Fluß, tauchte sein Gesicht ein, trocknete sich dann ab und rieb lange an seiner Nase herum. Ich krümmte den Rücken und berührte ein paarmal meine Zehen mit den

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