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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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die Hand zu heben, und ehe ich’s mich versah, hatte ich es schon getan.«
    »Verdammt«, sagte Bobby. »Alles Psychologie. Oder die Wissenschaft vom Wald …«
    »Es werden sich noch andere Gelegenheiten finden«, sagte Drew. »Wir haben noch viel vor uns.«
    »Ach, wenn schon«, sagte ich. »Wenn ich ihn wirklich getroffen hätte, wäre ich jetzt noch immer im Wald auf seiner Spur. Und in diesem Nebel wäre er schwer zu finden. Und ich wäre es auch.«
    »Du hättest ja die Stelle, an der du geschossen hast, markieren und zurückkommen und uns holen können«, sagte Lewis. »Wir hätten ihn leicht gefunden.«
    »Jetzt würdest du ganz schön suchen müssen«, sagte ich. »Vermutlich ist er schon in einem ganz anderen Revier.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Lewis. »Aber es ist wirklich schade. Was ist mit meinem treffsicheren Sportsfreund geschehen?«
    »Dein treffsicherer Sportsfreund ist explodiert«, sagte ich. »In alle Richtungen.«
    Lewis sah mich an. »Ja, dir wäre das nicht passiert«, fuhr ich fort. »Du brauchst es mir gar nicht erst zu sagen. Dann hätten wir Fleisch gehabt. Und ein ewiges Leben. Und wenn du es genau wissen willst, ich wollte, du wärst da oben gewesen und ich wäre mit dir gegangen. Ich hätte den Bogen gar nicht erst gespannt und in aller Ruhe zugesehen, wie du dem Hirsch einen Blattschuß verpaßt hättest. Direkt in den Kesselraum. Auf fünfzehn Meter Entfernung eine Kleinigkeit. Ich habe da oben tatsächlich die ganze Zeit an dich gedacht.«
    »Gut, aber das nächste Mal denk nicht an mich. Denk lieber an den Hirsch.«
    Ich ließ es dabei bewenden und ging zu den Zelten, um die Sachen herauszuholen. Lewis gelang es schließlich, ein Feuer zu entfachen. Als die Sonne höherstieg und kräftiger wurde, brannte sie Dunst und Nebel innerhalb weniger Minuten weg. Der Fluß, den wir zunächst kaum hatten erkennen können, war immer deutlicher zu sehen, bis wir schließlich nicht nur die Wasseroberfläche und den Wellenschlag der Strömung, sondern auch die Kieselsteine erblickten, die in seiner Tiefe lagen, im Flußbett, nahe am Ufer.
    Wir aßen Pfannkuchen mit Butter und Sirup. Nach dem Frühstück ging Lewis an den Fluß, um das Kochgeschirr abzuwaschen. Ich zog die Luftmatratzen aus den Zelten, nahm die Ventile heraus und legte mich so lange auf jede der Matratzen, bis ich den Boden unter mir spürte und auf dem letzten Hauch der Luft lag, die ich am Abend zuvor hineingepumpt hatte. Wir rollten die Zeltplanen, die noch feucht und von Blättern und Rindenstücken bedeckt waren, zusammen und verstauten sie in den Kanus. Ich fragte die anderen, ob es ihrer Ansicht nach nicht besser wäre, wenn wir uns diesmal anders verteilten, denn ich fürchtete, der ungeduldige Lewis könnte zu Bobby unfreundlich werden, und außerdem schien mir Bobby plötzlich am Rande der Verzweiflung. Offenbar bereute er schon, daß er überhaupt mitgekommen war. Ich dachte, es sei vielleicht das beste, wenn ich mich seiner etwas annahm. Drew hätte bei den Witzen, mit denen Bobby seine Angst zu überspielen versuchte, nicht gelacht, oder jedenfalls hätte er nicht richtig gelacht. Ich dagegen bildete mir ein, daß ich das konnte.
    »Wie war’s mit uns, alter Löwe?« sagte ich zu Bobby.
    »Okay«, sagte er. »Wie weit, glaubst du, werden wir heute kommen?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »So weit wie irgend möglich jedenfalls. Es hängt ganz vom Wasser ab und davon, wieviel Stellen wir durchwaten müssen. Alles – die Karte eingeschlossen – behauptet, daß der Fluß bis da unten durch eine enge Felsenschlucht führt. Das beunruhigt mich ein bißchen. Aber ändern können wir daran nichts.«
    Bobby und ich stiegen ins Boot und paddelten los, und ich wußte sofort, daß ich es diesmal schwer haben würde. Ich selbst war auch nicht in bester Form, aber Bobby keuchte und stöhnte schon nach hundert Metern. Es gelang ihm einfach nicht, sich auf mich einzustellen, und aus dem ruhigen Boot, das ich mit Drews gleichmäßigen Paddelschlägen gehabt hatte, wurde plötzlich ein nervöses, schwankendes Ding, das verurteilt und entschlossen schien, alles falsch zu machen und uns so schnell wie möglich los zuwerden. Jetzt war ich ganz sicher, daß Lewis von Bobby genug hatte und daß ich in nicht allzu langer Zeit ebenfalls von ihm genug haben würde.
    »Locker«, sagte ich. »Locker. Du machst es dir zu schwer. Wir wollen dieses Ding doch nur geradehalten. Das ist alles. Wir brauchen uns nicht die Seele aus dem Leib

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