Flußfahrt
Fingern, um mein steif gewordenes Kreuz etwas zu lockern. Dann blickte ich stromaufwärts. Das andere Boot war noch immer nicht zu sehen. Ich wollte Bobby etwas sagen und drehte mich um.
Zwei Männer kamen aus dem Wald. Der eine zog ein Gewehr am Lauf hinter sich her. Bobby ahnte nichts von den beiden, bis er mich ansah. Dann wandte er den Kopf und blickte über seine Schulter nach hinten. Er stand auf und klopfte sich die Erde von der Hose.
»Na, was gibt’s?« fragte er.
Der größere der beiden Männer kniff Augen und Gesicht zusammen. Sie kamen näher und beschrieben dabei eine Art Halbkreis, als gingen sie um irgend etwas herum. Der kleinere war älter; er hatte große helle Augen und auf den Wangen Büschel schmutzigweißer Bartstoppeln. Er schien in alle Richtungen zugleich zu spähen. Er trug eine Monteurhose, und sein Hängebauch mußte ihm jeden Augenblick aus der Hose fallen. Der andere war hager und groß und starrte uns mit einem Blick an, der aus einer tiefen finsteren Höhle hinter den gelblichen Augäpfeln zu kommen schien. Als er seine Kiefer bewegte, sah er aus , als fehlten ihm sämtliche unteren Zähne.
»Ausgebrochene Sträflinge«, fuhr es mir durch den Kopf. »Oder Whiskeybrenner«, dachte ich. Aber es konnten schließlich auch einfach Jäger sein.
Sie kamen heran und bauten sich geradezu lächerlich dicht vor mir auf. Ich wich nicht von der Stelle; hier schien System im Spiel zu sein.
Der ältere reckte mir sein kränkliches Gesicht drohend entgegen und sagte: »Was denken Sie sich denn, verdammt noch mal, was Sie hier zu suchen haben?«
»Wir paddeln den Fluß hinunter, wir sind seit gestern unterwegs.«
Wir sprachen also wenigstens miteinander, und ich hoffte, allein diese Tatsache würde etwas nützen. Er sah den Hageren an; dieser Blick mochte etwas bedeuten oder auch nicht. Bobby schien meilenweit entfernt, und das andere Boot war noch immer nicht in Sicht. Alles in mir zog sich zusammen, und bei dieser Anspannung wurde mir schwach im Magen. Ich sagte: »Wir sind gestern nachmittag von Oree abgefahren, und wir hoffen, heute abend oder morgen früh in Aintry anzukommen.«
»Aintry?«
Bobby mischte sich ein, und ich hätte ihn umbringen können: »Sicher. Dieser Fluß fließt schließlich nur in eine Richtung, Käpt’n. Wußten Sie das noch nicht?«
»Nach Aintry. Da kommt ihr nie hin«, sagte er mit teilnahmsloser Stimme.
»Warum nicht?« fragte ich erschrocken, zugleich aber auch neugierig. Auf eine merkwürdige Art reizte es mich, ihn zu einer Erklärung zu veranlassen.
»Weil dieser Fluß gar nicht nach Aintry kommt«, sagte er. »Ihr habt irgendwo ‘ne falsche Biegung erwischt. Der Fluß hier kommt nicht mal in die Nähe von Aintry.«
»Wo geht er denn hin?«
»Er geht … Er geht …Er geht nach Circle Gap«, sagte der Zahnlose. »Noch achtzig Kilometer.«
»Junge«, sagte der Stoppelbärtige. »Du hast ja keine Ahnung, wo du bist.«
»Na gut«, sagte ich. »Wir fahren jedenfalls den Fluß runter. Irgendwo werden wir schon ankommen.«
Der andere rückte Bobby auf den Leib.
»Verdammt noch mal«, sagte ich. »Wir haben nichts mit euch zu schaffen. Wir wollen hier keinen Stunk. Wenn ihr hier in der Nähe Whiskey brennt, von uns aus. Wir können euch sowieso nicht verraten. Und wißt ihr auch weshalb? Ihr habt nämlich recht, wir wissen gar nicht, wo wir sind.«
»Whiskey?« fragte der Hagere und schien ehrlich überrascht.
»Klar«, sagte ich. »Wenn ihr hier Whiskey brennt, werden wir euch welchen abkaufen. Wir könnten jetzt was brauchen.«
Der Kerl mit dem Hängebauch sah mich schief an: »Was denkste denn, verdammt noch mal, wovon du überhaupt redest?«
»Ich weiß jedenfalls nicht, wovon du redest«, sagte ich.
»Du hast was gesagt von Whiskeymachen. Du denkst, wir machen Whiskey. Na, komm schon, hab ich recht?«
»Scheiße«, sagte ich. »Mir ist es einerlei, ob ihr Whiskey macht oder jagt oder wie ihr euer Scheißleben im Wald verbringt. Ich weiß es nicht und will es auch nicht wissen. Es geht mich nichts an.«
Ich blickte zum Fluß, aber wir standen nicht mehr direkt am Ufer, und ich konnte das andere Kanu nicht sehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es schon vorbeigefahren war, aber ich war mir nicht ganz sicher. Ich wußte nichts mehr und schüttelte den Kopf bei dem Gedanken, daß Lewis und Drew vielleicht schon an uns vorbeigefahren waren. Ich nahm alle Kraft zusammen und sah den Mann wieder an und versuchte, seinem Blick standzuhalten.
Weitere Kostenlose Bücher