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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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als wäre ich bereits im Fluß gewesen und müßte jetzt im Steinschatten der Ufer frieren. Wir schienen zu springen und zu immer neuen Sprüngen anzusetzen, den riesigen Graben hinunter, als flögen wir auf einem unterirdischen Strom dahin, über dem der Himmel weggerissen war. Wir konnten es im Dunkeln unmöglich bis Aintry schaffen; das war mir jetzt klar. Und wir konnten die Nacht nicht auf dem Fluß überstehen, selbst wenn er so blieb wie hier, denn wir sahen nicht genug. Ich hatte nicht das geringste Verlangen, im Dunkeln in dieser Schlucht auf dem Wasser zu bleiben. Es würde besser sein, ans Ufer zu fahren, solange man noch etwas sah, um einen flachen Felsen oder eine Sandbank zu suchen, wo wir kampieren oder zumindest im Boot übernachten konnten. Wir ließen eine weitere Biegung hinter uns, und zwischen ihr und der nächsten stieg der Fluß über eine Reihe von kleinen, wilden Stromschnellen hinweg abwärts. Ich konnte nicht erkennen, wie viele es waren. Ich wußte vom Kanusport nur so viel, daß man bei Stromschnellen dahin steuern mußte, wo das Wasser am schnellsten und wildesten war, dahin, wo das meiste Weißwasser war.
    Es war schon ziemlich dunkel, und ich hatte mich bereits entschlossen, diese Strecke noch zu durchfahren und dann am Ufer anzulegen, einerlei, was Lewis und Bobby machen würden. Das Wasser warf uns erbarmungslos vorwärts. Wir erreichten einen kurzen Abschnitt ruhigen Wassers, hatten aber noch zuviel Tempo, um vor den nächsten Stromschnellen von der Mitte des Flusses aus ans Ufer zu gelangen. Ich wollte nicht riskieren, das Boot herumzuwerfen und quer zur Strömung zu legen, damit wir nicht gegen die Felsriffe geschleudert wurden. Dann würden wir nicht nur kentern, sondern die Gewalt des Wassers würde das Kanu wahrscheinlich so in die Felsblöcke rammen, daß wir es nie wieder freibekämen. Und wir konnten nicht gut alle vier in einem einzigen Kanu flußabwärts fahren, weil das Boot zu tief im Wasser lag und wir es nicht mehr manövrieren konnten.
    Ich versuchte, den Bug mit Drew darin mitten ins weiße Wasser zu steuern und so durch die Felsen zu schießen; es war für uns die einzige Chance durchzukommen.
    »Schneller, alter Knabe«, brüllte ich.
    Drew hob sein Paddel und setzte zu einem langen, kräftigen Schlag an.
    Irgend etwas war ihm zugestoßen. Im ersten Augenblick sah es so aus – ich habe es noch im Gedächtnis: dreidimensional, in Zeitlupe und als Standfoto –, als risse ihn etwas, ein Windstoß vielleicht, aber viel nachdrücklicher und gewaltsamer als ein Windstoß, an seinen Haaren nach hinten. Eine Sekunde lang dachte ich, er hätte einfach nur den Kopf geschüttelt oder das Kanu hätte ihm einen Stoß versetzt, ohne daß ich es bemerkt hatte, aber im gleichen Augenblick, in dem ich es sah, spürte ich, wie wir die Kontrolle über das Kanu verloren. Die Strömung riß das Paddel aus Drews Hand und wirbelte es fort, als wäre es nie dagewesen. Sein rechter Arm flog zur Seite und zog den Körper mit sich fort, wobei das Kanu umkippte.
    Ich war machtlos und stürzte mit dem Rest der Ladung ins Wasser. Kurz bevor ich mit dem Gesicht auf das weiße Wasser schlug und der Fluß sich vor mir durch die Luft drehte, um sich dann über mich zu ergießen, ließ ich instinktiv mein Paddel los und griff nach dem Bogen zu meinen Füßen, denn sogar in diesem Augenblick der Panik wollte ich lieber die Waffe bei mir haben als ein Paddel, auch wenn es noch so gefährlich sein mochte, im Wasser die nackten Doppelspitzen in meiner Nähe zu haben. Der Fluß schlug über mir zusammen, aber ich hatte den Bogen. Meine Schwimmweste trug mich wieder nach oben, und Lewis’ Boot war wie ein Wal über mir und bäumte sich in der Strömung auf. Es traf mich an der Schulter, drückte mich nach unten, wo Felsbrocken wie Kieselsteine herumwirbelten, und irgend etwas, wahrscheinlich ein Paddel, stieß gegen meine Schläfe, als Lewis oder Bobby sich von mir wie von einem Felsen abstieß. Ich trat gegen die wegrauschenden Steine und kam wieder nach oben. Vor mir, flußabwärts, kollerte Lewis’ grünes Boot mit dem quer in der Strömung treibenden Aluminiumboot, stieg beinahe senkrecht in die Höhe, und Bobby und Lewis flogen rechts und links heraus. Ich schlug gegen einen Felsen, und ich fühlte, daß irgend etwas in meinem Bein – ein wichtiger Muskel oder Knochen – verletzt war. Ich stieß mich mit dem anderen Bein ab und prallte gegen etwas Festes. Wahrscheinlich trieb ich jetzt mit dem

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