Flußfahrt
stehen und blickte auf einen Taschenkompaß, und ich hatte den Eindruck, daß wir mehr oder weniger in der richtigen Richtung gingen. Jedenfalls war es die Richtung, die ich wahrscheinlich auch eingeschlagen hätte. Wir kamen an dem Bach heraus, etwas oberhalb der Stelle, wo das Kanu lag. Das Wasser floß auf den Fluß zu, und wir folgten ihm über die geheimnisvollen Kiesel auf seinem Grund, bückten uns immer wieder unter dem herunterhängenden Gezweig. Ich fühlte mich den anderen fern, besonders aber Lewis. Das Gefühl, wir müßten uns gegenseitig helfen, gab es nicht mehr. Ich glaube, wenn ich in ein Loch getreten und darin verschwunden wäre, die anderen hätten es nicht einmal bemerkt, hätten sich nicht einmal umgewandt und wären nur um so rascher weitergegangen. Jeder von uns wollte so schnell wie möglich aus diesem Wald heraus. Jedenfalls ging es mir so, und es hätte einer enormen körperlichen Anstrengung bedurft, mich umzuwenden und auch nur einen Schritt zurückzugehen, wenn einer von den anderen in Schwierigkeiten geraten wäre.
Als wir zu unserem Kanu kamen, stiegen wir alle ein. Drew und Lewis paddelten, und ich spürte, wie die langen Schläge von Lewis uns fortbewegten, ganz wie ich es mir wünschte. Drew hielt die niedrigen Zweige auseinander, und wir kamen schneller zum Fluß zurück, als ich es für möglich gehalten hätte. Das andere Boot lag da, wo wir es verlassen hatten. Es schaukelte leicht gegen das Ufer.
»Bloß weg hier, um Gottes willen«, sagte Bobby.
»Einen Augenblick noch«, sagte Lewis. »Wir können uns jetzt keine falschen Rücksichten mehr leisten. Was traust du dir noch zu, Bobby?«
»Ich weiß es nicht, Lewis«, sagte Bobby. »Ich will mein Bestes versuchen.«
»Du kannst ja nichts dafür«, sagte Lewis. »Aber versuchen ist jetzt nicht genug. Wir müssen die besten Teams zusammenstellen. Ich glaube, ich sollte Bobby zu mir ins Boot nehmen. Ed, wie steht’s mit dir?«
»Ich weiß nicht. Ein bißchen kann ich schon noch.«
»Gut. Du fährst mit Drew in meinem Boot. Bobby und ich laden möglichst viel von den Sachen ins andere. Wir versuchen, nicht hinter euch zurückzubleiben, aber es dürfte besser sein, wenn ihr vorausfahrt, damit wir sehen können, falls ihr irgendwelche Schwierigkeiten habt. Ich sage es nicht gern, aber soweit ich weiß, haben wir den schlimmsten Teil des Flusses noch vor uns.«
»Den Teil, der soviel Spaß machen sollte, wie du gesagt hast«, sagte Bobby.
»Den Teil, der dich dein blödes Hirn kosten wird, wenn du nicht genau das tust, was ich dir sage«, antwortete Lewis, ohne die Stimme zu heben. »Los, jetzt schaffen wir alles, was wir schleppen können, ins andere Kanu. Du willst doch hier raus, oder?«
Wir brauchten etwa zehn Minuten, um die Sachen umzupacken.
»Nimm alles, was du verkraften kannst, Lewis«, sagte ich. »Wenn Drew und ich als erste durch diese verdammten Stromschnellen fahren sollen, dann wenigstens in einem Boot, das ich halbwegs in der Gewalt habe. Und ich will nicht, daß mir auch noch das Zeug zwischen die Beine gerät, wenn ich ins Wasser falle.«
»Kann ich verstehen, Ed«, sagte Lewis. »Wir nehmen mit, was wir nur können.«
»Ich will vor allem eine Waffe bei mir haben«, sagte ich. »Ich nehme meinen Bogen.«
»Das würde ich mir noch überlegen«, sagte Lewis. »Wenn du schon meinst, daß Zeltplanen dich gefährden können, dann sieh nur zu, daß dich die Doppelspitzen nicht aufspießen, wenn du wirklich ins Wasser fällst.«
»Ich nehme meinen Bogen trotzdem mit«, sagte ich. »Ich wollte, wir hätten noch das Gewehr von dem Burschen. Warum zum Teufel haben wir es bloß bei ihm gelassen?«
»Das Gewehr liegt da, wo es ist, sehr gut«, sagte Lewis.
»Wir hätten es ja später noch loswerden können.«
»Nein, das wäre zu riskant gewesen. Je weiter wir es mitgeschleppt hätten, um so größer wäre die Gefahr gewesen, damit geschnappt zu werden. Es hätte das Beweisstück werden können, alter Knabe. Das Beweisstück.«
Wir waren soweit. Drew kroch in den Bug des Aluminiumkanus. Ich war froh, daß ich ihn bei mir hatte: er war ein guter Partner. Er hielt sein Paddel startbereit und schüttelte den Kopf. Keiner sprach ein Wort, bis ich sagte: »Los!«
Es war ungefähr vier Uhr, und der Gedanke, noch eine Nacht im Wald verbringen zu müssen, lähmte mich. Das Schleppen des Toten und die physische Anstrengung beim Ausheben der Grube hatten mich die Problematik unserer Lage fast vergessen lassen, aber
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