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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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sich herausstellt, ist Altair mit der Fernbedienung in der Hand ohnmächtig geworden. Halb sitzend, halb liegend hängt er an der Wand, während der Bildschirm Continue? fragt. Vergeblich versuchen sie, ihn zu wecken. Sie schüttenihm ein Glas Wasser über den Kopf. Bonobo gibt ihm ein paar Ohrfeigen. Altair macht keine Anstalten aufzuwachen. Sie beschließen, ihn dazulassen, drehen ihn auf die Seite und legen den Ersatzschlüssel gut sichtbar auf den Wohnzimmertisch. Er zieht ein frisches Hemd an und schließt die Fensterläden. Bonobo versucht, jemanden auf dem Handy zu erreichen. Ein paar Freundinnen von mir wollten hingehen, sagt er. Die Freundinnen gehen nicht ans Telefon. Von einem anderen Bekannten erfährt er, dass die Leute gerade eintrudelten, so langsam käme Stimmung auf. Er lässt Beta raus und schließt die Tür von außen ab. Mit langen Schritten machen sie sich auf den Weg. Diesmal laufen die Möwen in Richtung Wasser davon, manche fliegen weg. Bonobo wirft einen Blick über die Schulter.
    Hast du gesehen, dass dein Hund mit rausgekommen ist? Er läuft uns hinterher.
    Nicht im Traum würde ich sie da drinnen mit Altair allein lassen.
    Es ist schon nach Mitternacht, die Straßen sind leer. Sie laufen auf dem Mittelstreifen der Hauptstraße entlang bis zu Altairs Kiosk. Bonobo hüpft über das Grundstück und tritt gegen die leeren Bierdosen.
    Was willst du hier, du Spinner? Wo ist dein Auto?
    Bonobo geht auf den schrottreifen Käfer zu und rüttelt am Türgriff.
    Das ist nicht dein Ernst.
    Was?
    Das ist dein Auto?
    Ja. Ich nenn ihn Tetanus.
    Das Teil fährt? Ich dachte, das sei Altmetall.
    Und wie der fährt. Du musst bloß beim Einsteigen aufpassen.
    Nachdem es Bonobo gelungen ist, die Fahrertür zu öffnen und sich auf den Sitz zu zwängen, geht er einmal um den Käfer herum und versucht sich an der Beifahrertür. Der verrostete Griff muss auf ganz bestimmte Weise betätigt werden, damit der Mechanismus funktioniert. Die Karosserie ist mit fraktalen Rostmustern und abblätternder beiger Farbe überzogen. Auf dem Dach prangt ein riesiger Gepäckträger, mit dem man ein kleines Boot transportieren könnte. Überall sind Löcher und scharfe Kanten. Die Räder stehen schief, die Reifen sind abgefahren und halb platt. Vorsichtig steigt er ein. Vom Beifahrersitz ist nur noch ein Gestell aus Eisenstangen übrig, darauf liegen ein paar alte Kissen und ein zusammengefaltetes Stück Pappe. Immerhin ist der Schaumgummi der Rückenlehne einigermaßen intakt. Auf dem Armaturenbrett steht die goldene Statue eines sitzenden Buddhas mit lächelnden Mundwinkeln und Ohrläppchen, die ihm bis auf die Schultern fallen. Er pfeift nach Beta. Die Hündin kommt um den Wagen gelaufen und springt auf seinen Schoß. Er streichelt sie, lobt sie und verfrachtet sie auf die Rückbank, auf der ein Strandtuch mit dem Vereinslogo von Grêmio liegt. Sein Blick fällt auf die Batterie hinterm Fahrersitz inmitten eines Gewusels aus Kabeln. Bonobo dreht den Schlüssel im Zündschloss. Der Motor des Käfers lacht kurz auf.
    Es dauert etwas, bis er anspringt, aber danach geht er nicht mehr aus.
    Bonobo drückt aufs Gas und erzeugt ein irres Getöse inklusive mehrerer Fehlzündungen.
    Hol mal meine Augenklappe aus dem Handschuhfach, bitte.
    Deine was?
    Meine Augenklappe.
    Er öffnet das Handschuhfach und findet eine Augenklappe aus einem Stück Stoff und schwarzem Gummiband in einem Wirrwarr von gebrauchten Taschentüchern, Visitenkarten, Surfwachs, Kondomen und einer kaputten Sonnenbrille. Bonobo nimmt die Augenklappe, zieht sie sich über den Kopf und verdeckt sein rechtes Auge damit.
    Damit ich nicht doppelt sehe.
    Erst jetzt legt er den Gang ein. Der Wagen fährt. Gras und Kiosktrümmer kratzen am Unterboden. Er hat das Gefühl, direkt auf dem Motor zu sitzen. Sie fahren aus Garopaba raus auf die Landstraße. Als ihnen ein Wagen entgegenkommt, sehen sie durch ein Loch im Boden zwischen ihren Füßen den schwach beleuchteten Asphalt. Bonobo fährt in leichtem Zickzack, aber wenn man seinen Zustand und den des Wagens in Betracht zieht, macht er seine Sache gar nicht schlecht. Er ist höchst konzentriert, fährt nicht zu schnell, seine Sicht ist durch die absurde Augenklappe eingeschränkt, und er beugt sich über das Lenkrad, bis er mit seiner breiten Nase fast gegen die Windschutzscheibe stößt. Eine Kuh und ein Radfahrer erwachen im Scheinwerferlicht kurz zu Leben und verblassen schon im nächsten Augenblick zu Gespenstern. Sie biegen

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