Flut
besonders groß. Letztes Jahr hab ich das Café eröffnet. Das Café do Bonobo.
Altair ist wieder eingeschlafen, diesmal liegt er mit dem Hammer im Arm auf dem Schotter, sein Kopf auf einem kleinen Rucksack. Ein Drittel der letzten Wand steht noch, aber sie können nicht mehr. Bonobo und er schmeißen ihr letztes Kleingeld zusammen und marschieren zur Kneipe, um noch ein paar Dosen zu holen. Dann laufen sie zurück, setzen sich an die Wand und trinken ihr Bier. Die Erschöpfung verbindet sie, und irgendwann stellt er fest, dass er vom Selbstmord seines Vaters erzählt und von der Hündin, um die er sich seitdem kümmert. Bonobo nickt die ganze Zeit beipflichtend, wie um klarzustellen, dass er ihm zuhört und ihn versteht.
Was für ein Scheiß, Alter. Aber wie bist du auf die Idee gekommen hierherzuziehen?
Er überlegt, ob er ihm die Wahrheit sagen soll. Altair schnarcht. Er mustert Bonobo aufmerksam und beschließt, dass er ihn mag. Also erzählt er ihm die Geschichte vom Tod seines Großvaters Ende der sechziger Jahre. Bonobo begreift nicht, warum er in der Vergangenheit herumstochern will, zeigt sich dann aber verständnisvoller, als es nochmal um den Vater geht. Sein eigener Vater, erklärt er, lebe in Porto Alegre und sei sehr krank.
Ich denke die ganze Zeit, ich müsste ihn mal besuchen, weißt du.
Dann fahr zu ihm.
Muss ich tatsächlich demnächst mal machen.
Ja, fahr.
Ich schieb das immer raus, weil das Arschloch meine Mutter allein mit uns sitzengelassen hat und auch nie versucht hat, das irgendwie wiedergutzumachen. Außerdem hab ich keine große Lust, nach Porto Alegre zu fahren. Mein Leben da war nicht einfach.
Aber er ist dein Vater. Wenn er stirbt, wirst du es bereuen, ihn nicht mehr gesehen zu haben.
Bonobo hat Narben im Gesicht. Spuren, die mit der Zeit verblassen. Eine schlecht verheilte Wunde an der Augenbraue, Flecken an den fleischigen Lippen. Die Gesten seines unproportionierten Körpers sind harmonisch, wie die eines merkwürdigen Tänzers. Selbst jetzt, betrunken und am Ende seiner Kräfte, scheint er alles unter Kontrolle zu haben. Er blickt in die leere Dose, rülpst und schmeißt sie zu den anderen auf den Rasen.
Das verdammte Bier ist alle.
Wer soll den Pick-up fahren?
Altair.
Der kann doch noch nicht mal mehr richtig atmen, guck ihn dir doch an.
Ich würde noch eins trinken.
Ich auch.
Bonobo steht auf und inspiziert Altairs Taschen.
Versuch’s mal mit dem Rucksack.
Der Rucksack gehört mir. Da ist kein Geld drin.
Wir können zu mir gehen. Ich hab noch Bier. Und eine Flasche Schnaps.
Bonobo schüttelt Altair. Er kommt auf die Knie und verzieht das Gesicht, als wäre ihm alles, worauf sein Blick fällt, unbekannt und zuwider. Er steht auf, läuft im Kreis und redet mit sich selbst. Offenbar freut er sich über irgendetwas, worüber, weiß man nicht. Sie lassen alles so liegen und laufen die Hauptstraße runter in Richtung Meer. Hier und da nicken Bonobo und Altair Bekannten zu, reden ein paar Takte und stellen ihren neuen Freund vor. Drei friedliche Irre oder glückliche Zombies am Ende ihres langen Marsches zum Strand. Bonobo improvisiert Tanzschritte, die aussehen, als würde Michael Jackson Samba tanzen. Altair klatscht in die Hände, um ihn anzuspornen, wie der Sidekick bei einem Komikerduo.
Als sie an der Pizzeria vorbeikommen, identifiziert er Dália, die im Innenhof der kleinen Passage mit dem Kreditkartenleser am Tisch eines Gastes steht. Ihre Blicke treffen sich, aber sie reagiert nicht. Nachdem die Maschine den Beleg ausgespuckt hat, kommt sie nach vorn. Er zieht sie zärtlich an der Schürze zu sich ran und versucht, ihr einen Kuss zu geben.
Hör auf damit, ich arbeite.
Oops.
Du bist widerlich. Was ist das? Du stinkst ja total nach Alkohol. Hast du Pablito abgeholt?
Klar, wir waren Eis essen, und jetzt ist er gesund und munter zu Hause.
Dália, meine Prinzessin!, brüllt Bonobo.
Wo hast du diese beiden Nichtsnutze aufgegabelt?
Wir haben einen Kiosk zertrümmert.
Dália, meine Geliebte!
Sie wirft Bonobo einen Blick zu, der so viel bedeutet wie jetzt nicht . Die Gäste an den Außentischen drehen sich nach ihnen um und mustern sie abschätzig. Altair steht schweigend auf der Straße und sieht in Richtung Meer. Er schwankt heftig, als würde er von einer Musik, die nur er hört, in Ekstase versetzt. Ein Motorrad mit einer Gasflasche hinten drauf weicht ihm hupend aus.
Wir gehen zu mir und trinken da weiter.
Ich will es gar nicht wissen. Sei um Gottes
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