Föhn mich nicht zu
können doch Spagat.
Ich: Nee!
Mahmoud: Aber auf Zehen tanzen.
Ich: Nein.
Mahmoud: Machen Se mal vor! Spagat.
Ich: Mach ick nich.
Mahmoud: Tanzen Se mal uff Zehen!
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Sollte der Lehrer zum Unterricht mit weniger Kleidung erscheinen?
Meine Schüler können echt unfair zu mir sein. Zum Beispiel wenn sie mich evaluieren: «Geschichte mit Ihnen ist voll anstrengend.»
Was soll ich mit solch einer Äußerung anfangen? Dabei hatte ich mir anfangs so viel von ihren Rückmeldungen versprochen. Doch
Bewertungen und Kommentare von Jugendlichen sind in der Regel dermaßen nichtssagend oder einfach dermaßen falsch, dass ich
all die Kollegen verstehe, die Evaluationen aus Prinzip ablehnen. Als Lehrer wissen sie schließlich am besten, wie ungerecht
– weil subjektiv – jede noch so vorgeblich rein leistungsbezogene Bewertung am Ende ist. Zensuren sollen zwar theoretisch
dem Schüler Auskunft über seinen Lernfortschritt erteilen und ihm so ermöglichen, seine Defizite zu erkennen und an diesen
zu arbeiten. Aber sie eignen sich in der Praxis viel besser zur Belohnung sozial erwünschten Verhaltens und zur Bestrafung
von aufmüpfigen Lernern. Durch ein bisschen Absprache mit anderen Lehrkräften kann man über die richtige Benotung seine Klassen
auch von störenden Elementen reinigen. Im Idealfall vermacht man sie dabei einem Kollegen, den man überhaupt nicht leiden
kann. Leider kann man im umgekehrten Fall von anderen Lehrern schwierige Kinder erben.
Bis Anfang dieses Jahrtausends oblagen Schülerfeedbacks an fast allen Schulen dem persönlichen Belieben jedes einzelnen Paukers.
Dass sich das in den letzten Jahren geändert hat, ist Ergebnis der allgemeinen Tendenz zur Evaluation aller gesellschaftlichen |188| Bereiche, aber auch des Internets. Früher konnten die Jugendlichen ihren Unmut über Lehrer durch Nachrichten an den Schulklowänden
oder auf den Tischen im Klassenraum Ausdruck verleihen. Oder – damit es der Adressat mitbekam – als an die Tafel geklierte
Kreidebotschaften, in Form eines Galgens oder eines Grabsteins. Wer ehrlich oder mutig war, beschimpfte den Lehrer im Unterricht
direkt als
Spast
oder als
schwul
.
Heute stehen den Heranwachsenden deutlich wirkungsvollere Medien zur Verbreitung ihrer Meinung zur Verfügung, beispielsweise
lustige YouTube-Videos, die Pädagogen in ihrer ganzen Hilflosigkeit und in äußerst kompromittierenden Momenten vor einem weltweiten
Publikum lächerlich machen. (Siehe unter Suchkombinationen wie:
Lehrer rastet aus
,
Lehrer dreht durch
,
Lehrer schlägt Schüler
,
Schüler schlägt Lehrer
oder
Lehrer fertig machen
.) Und es gibt zahlreiche von Schulpflichtigen und nicht mehr Schulpflichtigen genutzte Internetforen, zum Beispiel schülerVZ,
in denen sich eine sehr breite Rückmeldungspalette darstellt. Das geht von sachlicher Kritik zum Unterricht: «FRAU Ehrlich
IST EINE DER SCHLIMMSTEN LEHRERIN AUS DER Ranke-Oberschule in Berlin. SIE IST DIE SCHLECHTESTE POLITIKLEHRERIN DER WELT» über
kritische Kommentare zu den politischen Orientierungen der Lehrer: «Herr Kraft ist ausländerfeindlich, passt auf!» bis hin
zu Drohungen wie: «Wie würdet Ihr Frau Kling umbringen? Den Gürtel enger machen, dann erstickt die. Ok, is nich lustig, aber
klappt.»
Für große Aufregung sorgte 2007 die Gründung des Portals spickmich.de, die eine Klage bis zum Bundesgerichtshof nach sich
zog – sie wurde abgewiesen. Anstoß erregte vor allem das Bewertungskriterium
sexy
, weil dieses nichts über die Qualität des Unterrichts aussagte – und weil die meisten Lehrer auch nicht sexy sind. Für mich
hingegen war das Kriterium Grund genug, mich als Referendar bei spickmich.de anzumelden. Dazu musste |189| ich mich zunächst, als Schüler getarnt, über die Eingabe meiner Mail-Adresse registrieren lassen. Ich war äußerst gespannt,
wie sexy mich die Jugendlichen fanden. Darüber hinaus interessierten mich die Kriterien
cool und witzig
sowie
beliebt
. Ziemlich egal waren mir die Punkte
faire Noten
,
guter Unterricht
und
menschlich
. Aber die hingen sowieso davon ab, ob man
sexy
,
cool , witzig
und/oder
beliebt
war.
Leider stellten sich die Schüler am Werner-Heisenberg-Gymnasium als ausgesprochene spickmich.de-Muffel heraus. Zehn Nutzer
mussten einen Lehrer bewerten, damit dessen Noten sichtbar wurden. Und obwohl ich mich letztlich unter fünf verschiedenen
Schüleridentitäten auf der Plattform angemeldet hatte, um fünfmal
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