Föhn mich nicht zu
Brown?
Ich: Mensch! Shawn Corey Carter. (Noch lauteres Raunen in der Klasse)
Burak: Und Eminem?
Ich: Nach der Stunde. Das ist mein letztes Wort.
Burak: Bitte, dann sind Sie unsa Lieblingslehrer.
Ich: Marshall Bruce Mathers III.
(Ganz lautes Raunen in der Klasse. Klatschen)
|181| 29
«Hh … Hh … Hh … Ich kann nicht mehr!»
Gerade bin ich im Lehrerzimmer. Bald müssen für die Schüler die Halbjahreszwischennoten gemacht werden. Viele hier im viel
zu kleinen Raum brüten folglich über den Klausuren und Tests. Trotz der Enge gibt es eher wenig Interaktion zwischen den Kollegen.
Dennoch handelt es sich um einen sehr spannenden Moment, zumal kaum ein Lehrer tatsächlich still korrigiert. Praktisch jeder
von ihnen spricht dabei – zumindest zu sich selbst. Und wie er das tut, gibt in der Regel sehr gut Aufschluss darüber, wie
zufrieden er mit seinem Beruf ist. Es lohnt sich also zuzuhören.
Zum Beispiel bei Maren, der neuen, überaus kontaktfreudigen und motivierten Referendarin mit der roten Ilona-Christensen-Brille,
die sich in diesem Augenblick an den Geschichtstest der 9d mit dem Ausspruch setzt: «So! Mal sehen, was meine Lieben so verzapft
haben!» Das ist eine Bemerkung, an deren idealistischer Dynamik man erkennt, dass Maren neu im Geschäft ist und ihrer Klasse
durchaus noch etwas zutraut. Ganz anders die seriös in schwarzen Hosenanzug gekleidete Frau Zeck: «Nun denn! Dann werd ich
mal!» Frau Zeck hat bereits die bittere Erfahrung machen müssen, von den Jugendlichen immer wieder enttäuscht zu werden. Und
sie hat ihre Erwartungen diesen Bedingungen angepasst, indem sie von den Schülern nichts mehr erwartet. Lehrersein ist für
sie längst nur noch ein Beruf, keine Berufung mehr. Das erspart ihr den Burnout, an dem Frau Flach leidet, vor der ein Stapel
mit Klassenarbeiten aus dem Leistungskurs Deutsch liegt. Jeder Atemzug lässt einen befürchten, sie hauche mit diesem |182| gerade ihr Leben aus: «Hh … Hh … Hh … einhundertfünfzig Seiten! Hh … Hh … Hh … Wie soll ick denn dit schaffen?! Hh … Hh … Hh!»
Frau Flach quält die meiste Zeit des Schuljahres über ein Zustand emotionaler und körperlicher Erschöpfung, der sich auch
an ihrer Kleidung bemerkbar macht, welche genauso farblos und knitterig ist wie ihre Haut. Regelmäßig fehlt sie krankheitsbedingt.
Frau Reiz hingegen ist noch nicht so weit. Sie befindet sich erst in der Phase der Frustration, die sich durch schnippische
Zurechtweisungen gegenüber Referendaren und zunehmenden Zynismus gegenüber den Schülern kennzeichnet: «Sooooo! Die 10b! Na,
da brauch ich eigentlich gar nicht zu korrigieren. Kann ich gleich überall ’ne Sechs drunterschreiben.»
Maren beginnt mit einem leistungsstarken Schüler, denn sie möchte sich zunächst ein Erfolgserlebnis verschaffen: «Ah! Der
Mohammed! Da bin ich ja mal gespannt. Der grüßt immer so freundlich. Den mag ich.» Frau Zeck korrigiert vom schlechtesten
zum besten Schüler, weil es so nur aufwärts geht. Frau Flach startet mit dem Schüler, der als Letzter seine Arbeit abgegeben
hat – diese liegt oben auf dem Stapel, und sie ist zu erschöpft, um eine andere aus ihm zu ziehen. Frau Reiz nimmt auch die
Klausur von ganz oben, aber nur deshalb, weil alle gleich schlecht sind.
Nun macht Maren zum ersten Mal Bekanntschaft mit der Realität im Speckgürtel des Weddings: «Was schreibt der denn da? Das
war gar nicht gefragt! Drei Parteien. Ich hatte das Thema doch extra wiederholt!» Während sie über die erste Aufgabe stolpert,
hat Frau Zeck die erste Arbeit schon abgehakt: «Dann mal weiter!» Frau Flach beschäftigt sich noch mit den Formalitäten: «Hh … Hh … Hh … Ich hab doch gesagt, ein Drittel Rand. Hh … Hh … Hh … Das ist kein Drittel. Hh … Hh … Hh … Das sehe ich, ohne nachzumessen. Mit bloßen Augen! … Hh … Hh … Hh … Das kann man doch gar nicht korrigieren! Hh … Hh … Hh … Dieser |183| Kurs bringt mich noch ins Grab!» Sie liegt fast auf ihrem Resopaltisch. Frau Reiz wiederum lässt sich vom Rand nicht deprimieren:
«So, 6,5 Zentimeter Rand von einundzwanzig! Das ist weniger als ein Drittel. Das gibt schon mal ein paar Punkte Abzug. Mit dem Abi
war’s das wohl, Nima.»
Frau Zeck ist nun beim fünftschlechtesten Schüler angelangt. Maren ist noch nicht so weit: «Ach Mensch, Mohammed. Mensch!
Dies ist doch
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