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Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Serin
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zu mir meinte, Herr Schubert würde Frauen bevorzugen. Ich konnte das nicht glauben. Peter untermauerte seinen
     Eindruck mit dem Hinweis, dass unser Seminarleiter Hanna, Nina, Regine, Christina und Doreen immer die Kreide vom Oberschenkel
     klopfen würde. Warum war ich nicht selbst darauf gekommen? Das hatte ich doch auch längst bemerkt. Mir hatte er schließlich
     nie Kreide von der Hose geklopft. Aber ich hatte mir |201| immer eingeredet, der Griff auf den Oberschenkel sei eine unbeholfene Anerkennungsgeste für erbrachte Leistungen im Seminar
     und in den Unterrichtsbesuchen. Vielleicht tat ich das, weil ich mir nicht wirklich hatte vorstellen können, dass sich hinter
     der Fassade aus absoluter Bewertungsobjektivität ein Mann verbarg, der in seinem Dienst als Seminarleiter Frauen den Vorzug
     gab.
    Doch zurück zur letzten Seminarstunde: Egal, welche Eigenschaften ich zu Herrn Schubert notieren würde, ich riskierte in jedem
     Fall etwas. Lobte ich ihn, indem ich ihm eine Qualität zuschrieb, die er gar nicht besaß, verlor ich bei den anderen Referendaren
     meinen nur bedingt gerechtfertigten Ruf, mich nicht zu scheuen, Vorgesetzten meine Meinung zu sagen. Äußerte ich, um ehrlich
     zu sein und weil mir nichts Positives einfiel, entgegen der Aufgabenstellung etwas Kritisches, zum Beispiel zur Bevorzugung
     der Referendarinnen, würde Herr Schubert dafür sorgen, dass ich nie Lehrer werden würde. Nach acht Jahren Studium. Und nach
     fast zwei Jahren Referendariat, wegen dem ich meine letzten Freunde verloren hatte und meine Beziehung zu Melanie auf der
     Kippe stand. Was war wichtiger? Natürlich mein Ruf. Trotzdem wollte ich nicht meine berufliche Zukunft verspielen. Konnte
     ich mein Unglück noch abwenden?
    Ich meldete mich und unterbreitete folgenden Vorschlag: «Es ist wenig originell, immer nur positive Merkmale zu notieren.
     Wollen wir stattdessen nicht zwei Eigenschaften aufschreiben, die wir an unserem Nachbarn überhaupt nicht ausstehen können?»
     Herr Schubert zeigte sich nicht offen für diese Anregung und kommentierte meinen Vorschlag mit einem missbilligenden Kopfschütteln.
     Bereits mein zweiter Fauxpas an diesem Tag! Einige Minuten zuvor hatte ich gedankenversunken etwas zu laut vor mich hingemurmelt:
     «Scheiße! Scheiße! Zwei positive Eigenschaften von Herrn Schubert. Das ist doch unmöglich.» Zu diesem Zeitpunkt saß er bereits
     neben mir.
    |202| Am Ende überkam mich die Angst vor meiner eigenen Courage. Darum griff ich zu einer Kompromissformulierung, die in beide Richtungen
     interpretiert werden konnte, von den Referendaren als Kritik und von Herrn Schubert als Kompliment: «Ihnen ist es egal, ob
     Sie wegen Ihrer Strenge bei den Referendaren unbeliebt sind. Und Sie versuchen, wenigstens hin und wieder lustig zu sein.»
     Damit er meine ambivalenten Komplimente auch positiv deutete, klopfte ich ihm, während ich sie dem Kurs vorlas, heimlich unter
     dem Tisch auf seinen knochigen Oberschenkel.
    Lehrerzimmer, Montag, Elegie in der Freistunde
    André: Momentan denke ich echt, dass ick dit vielleicht nicht schaffe.
    Ich: Ach Quatsch! Dit schaffste! Du bist doch viel besser als ich.
    André: Weeßte, wat der zu mir gesagt hat: «Bei mir gibt es drei Anforderungsbereiche, Herr Groll: 1, 2 und 3.   Und Sie haben mit Ihrer Stunde den Anforderungsbereich 0,5 erreicht   …»
    Ich: Krass!   … Arsch!   … Na ja! Bei mir ist dit in Geschichte auch nicht wirklich besser mit meiner Seminarleiterin. Schon deren Blick, während die
     hinten drinsitzt. Da denkste schon am Anfang der Stunde: Scheiße, was ist jetzt wieder los? Die guckt so streng, als wärst
     du ein totaler Versager. Ich hab ja wiederholt versucht, sie zum Lächeln zu zwingen, indem ich sie einfach offensiv angelächelt
     habe. Hat aber nicht geklappt. Die hat nicht einmal zurückgelächelt.
    André: Dabei habe ich die Stunde vorher noch Herrn Müller gezeigt und Frau Sauer. Die haben beide gesagt, dass die gut ist.
    |203| Ich: Man müsste mal die schlimmsten Reaktionen der Seminarleiter sammeln.
    André: Müsste man.
    Ich: Ich hab gehört, wie Christines Seminarleiter zu ihr meinte: «Bis zu unserem Auswertungsgespräch haben Sie noch eine Woche
     Zeit, um sich Gedanken zu machen, was heute nicht so gelaufen ist. Nutzen Sie die Zeit. Es ist eine Menge danebengegangen.»
    André: Hier, im Lehrerzimmer?
    Ich: Ja! Vor allen Leuten. Ich glaube, sogar Herr Stern war anwesend. Ach übrigens: Der meinte neulich wieder zu

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