Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
„Warte noch. Kann ich kurz Kiran sprechen, ist er da?“
„Nein, er …“ Sie sog die Luft ein. Ihre Stirn brannte auf einmal, das Blut schoss in ihren Kopf und rauschte in ihren Ohren. Was hatte sie da gesagt?
„Daniela! Leg nicht auf, bitte! Hör mir zu!“ Patricias Stimme. Ihre Hand, sie hielt das Handy so fest. Es tat weh.
„Bitte tu ihm nichts. Ich weiß, dass er bei dir ist. Bitte. Wenn du Hilfe brauchst, dann sag es, aber bitte tu ihm nichts an!“, sagte Patricia. Jetzt klang sie mühsam beherrscht. Sie wusste es! Woher? In Danielas Gehirn tobten die Gedanken. Jetzt durfte sie erst recht nicht auflegen. Sonst rief Patricia die Bullen.
„Hör zu“, sagte sie und sie erkannte ihre eigene Stimme kaum. „Wenn du die Polizei rufst, stirbt er. Seh ich hier nur einen Wagen vorfahren, ist Kiran tot. Höre ich was in den Nachrichten oder komme ich auf die Idee, dass du geredet hast, töte ich ihn. Das ist dann deine Schuld. Nur deine. Hast du das kapiert?“
Sie schöpfte Atem. Schweigen am anderen Ende der Leitung.
Dann sprach Patricia wieder: „Ich habs kapiert. Niemand erfährt etwas. Bitte, Daniela. Ich werde keinen Ton sagen, aber bitte, tu ihm nichts an. Was verlangst du? Was kann ich tun?“
„Halt einfach die Klappe“, sagte Daniela. Sie legte auf.
Ihr Brustkorb hob und senkte sich rasch. Jetzt musste sie schnell handeln. Sie mussten Berlin verlassen. Und … das Handy! Daniela erschrak. Jetzt, wo Patricia alles wusste, würde sie das Handy irgendwie orten. Vielleicht sogar mit einem illegalen Programm im Internet oder sie petzte doch bei der Polizei. Schnell schaltete Daniela ihr Telefon aus, dann löste sie den Deckel und nahm Akku und Sim-Karte aus dem Gerät. Sie knickte die Karte in der Mitte. Jetzt konnte Patricia sie nicht mehr finden. Aber trotzdem würde sie Vorkehrungen treffen.
Gelähmt stand Patricia in ihrem Wohnzimmer. Der Schock ließ ihre Knie weich werden und sie sank auf den Boden. Das Unfassbare war geschehen. Ihr Instinkt funktionierte, sie hatte den richtigen Riecher gehabt. Und jetzt, da sie es wusste, war sie hilflos. Die Verantwortung! Kaum zu ertragen. Wenn sie die Polizei rief, konnte Kiran sterben. Wenn Daniela verrückt genug war, ihn zu entführen, dann konnte sie auch durchdrehen und ihn töten. Das musste sie ernst nehmen. Das Schlimme war, dass sie die Polizei bereits informiert hatte. Und wenn sie jetzt wieder anrief, dann scheuchte sie die Polizei zusätzlich auf. Die würden nach ihm suchen, wenn sich die Entführung bestätigte. Natürlich würden sie.
Patricia drückte auf die Wahlwiederholung.
„Der gewünschte Teilnehmer ist zur Zeit nicht zu erreichen!“ , klang es aus dem Handy. Sie hatte es ausgeschaltet.
Kiran, was tut sie mit dir? Was tut sie dir an?
Patricia zitterte. Sie musste sich beruhigen, aber sie wusste nicht, wie. Kiran, er war in Gefahr. Gefangen, vielleicht misshandelt. Eine Verrückte bestimmte über sein Leben. Wo zum Teufel waren sie? Wo hatte Daniela ihn eingesperrt? Warum hatte sie das getan?
Jetzt half sie ihm nur noch, indem sie scharf nachdachte. Daniela … sie war nicht aus Berlin! Sie war eine Fremde, hatte hier keine Wohnung. Wohin würde sie gehen? Ins Hotel?
Patricia stand mit wackeligen Beinen auf. Sie musste die Kontrolle über sich zurückbekommen und Danielas Spur aufnehmen. Sie erwog, Attila einzuschalten, aber der war nicht der Zuverlässigste und es ging um Kirans Leben. Sie setzte sich auf ihren Bürostuhl und stützte den Kopf auf die Hände.
Nachdenken … nachdenken!
Wenn Daniela sich eine Bleibe suchen musste, ein Versteck, wo würde das sein? Ein Hotelzimmer eher nicht. Auch keine Wohnung mit Nachbarn. Nichts eben, wo Kiran sich bemerkbar machen konnte. Ein Verschlag im Wald war möglich. Oder eine Hütte … ein einsames Haus. Es musste etwas sein, das man kurzfristig mieten konnte. Eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus.
Und wie schaffte sie es, dass Kiran nicht floh? War er gefesselt? Oder nur eingesperrt? Dann konnte sie niemals die Tür öffnen, denn er würde sie einfach erledigen. Sie wusste, dass Kiran Kampfsport betrieb, aber Daniela war keine Gegnerin für ihn als Mann, auch ohne Training. Also musste sie ihn fesseln. Oder er war betäubt. Aber seit drei Tagen? Das konnte auch wieder nicht sein.
Patricia weckte ihren PC aus dem Standby-Modus und suchte im Netz nach Ferienhäusern am Rande Berlins. Irgendwo musste sie anfangen. Sie rief die Belegungspläne auf und notierte alle, die
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