Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
damals war noch alles gut gewesen. Schon erstaunlich, wie sehr jemand einem plötzlich fehlen konnte. Sie machte sich wieder Vorwürfe, dass sie nicht rechtzeitig zu ihrer beider Verabredung erschienen war. Was immer dort passiert war, sie hätte es verhindern können. Patricia sah einige Komparsen, die zu schnell und sehr unnatürlich an der Kamera vorbei liefen. Je mehr sie sich bemühten, sich normal zu verhalten, umso schlimmer wurde es. Vor allem die Komparsen, die eigentlich Fans waren, die machten die heftigsten Fehler. Die anderen, die wegen des Geldes kamen und das als Nebenjob machten, kamen routinierter und gelangweilter rüber.
Die Setwette kam ihr in den Sinn und im Nachhinein war sie längst nicht mehr so lustig. Kiran, der garantiert von Komparsinnen belästigt wurde, um Autogramme gebeten und für Fotos heranzitiert wurde … war ihm das zum Verhängnis geworden? Patricia starrte weiter auf den Bildschirm, als könnte sie dort eine Antwort finden.
Und dann schrie sie leise auf. Sie presste die Hand vor den Mund vor Schreck. Wie hatte sie nur so blind sein können? Es gab Komparsen, die das nebenberuflich machten. Es gab Komparsen, die Fans waren. Was für ein Fan war man, wenn man an einem Gewinnspiel teilnahm, um einmal Komparse zu sein? Wenn man die Fahrt auf sich nahm und den ganzen Aufwand?
Patricia sprang auf und rannte zu ihrem Schreibtisch. Mit zitternden Fingern wühlte sie in ihren Unterlagen.
Daniela Kranz. Das Alleinstellungsmerkmal war ihr wie durch ein übles Wunder entgangen. Die einzige Erwachsene in den letzten Monaten, die an einem Gewinnspiel teilgenommen hatte, um Komparsin zu sein … so klar, so deutlich und sie hatte es nicht bemerkt!
Patricia fand ihre Liste. Da war sie. Mit Handynummer, Festnetznummer und Adresse. Aber was war mit ihrer Schwangerschaft? Und ihren Kreislaufproblemen? Patricia konzentrierte sich auf alles, woran sie sich erinnern konnte und was mit Daniela zusammenhing. Was hatte sie gesagt, was hatte sie getan?
Die Setfotos!
Patricia sauste zu ihrer Handtasche. Auf ihrer Kamera gab es Bilder von den Komparsen. Sie musste auch bei ihnen auf die Anschlüsse achten. Das Display leuchtete auf, als Patricia den Play-Knopf drückte. Dann klickte sie sich durch bis zu dem Tag, an dem Daniela am Set gewesen war. Ihr wurde schwindelig, als sie das Bild sah.
„Oh Gott“, hauchte Patricia. „Oh mein Gott …“
Daniela trug eine Hochsteckfrisur. Aber ihr Haar … rotbraun. Und wahrscheinlich schulterlang. Wenn sie es offen trug.
Sie schlug ihm leicht auf die Wange, aber Kiran reagierte nicht. Die Panik hatte sie längst in ihren Klauen und blockierte ihr Denken. Sie hatte ihn getötet! Er hatte dieses Zeug nicht vertragen und jetzt war er tot. Daniela schüttelte ihn, schrie ihn an, ohne etwas zu erreichen.
Beatmen! schoss es ihr durch den Kopf. Natürlich! Sie musste ihn wiederbeleben. Daniela holte Luft und presste ihren Mund auf seinen. Sie blies ihm Luft in die Lungen, immer wieder. Sie legte ihre Hände auf seinen Brustkorb und pumpte rhythmisch. An ihren Erste-Hilfe-Kurs von der Fahrschule konnte sie sich kaum noch erinnern. Aber so ähnlich hatte man es ihnen gezeigt. Sie wechselte zwischen Beatmung und dem, was sie für eine Herz-Lungenmassage hielt. Zwischendurch legte sie ihr Ohr an seinen Mund und wartete, ob er Atmen schöpfen würde. Nichts. Daniela machte weiter und die Tränen liefen über ihr Gesicht. Wieder hielt sie ihr Ohr an seinen Mund. Ein kaum spürbarer Atemzug. Kiran atmete! Schwach zwar, so wenig, dass sie sich nicht mehr sicher war, ob er das vielleicht die ganze Zeit getan hatte, aber jetzt wusste sie, dass er noch lebte. Entweder hatte sie ihn gerade gerettet oder in ihrer Panik seinen flachen Atem nicht wahrgenommen. Wie auch immer, er war nicht tot.
Daniela wimmerte vor Erleichterung.
„Tut mir so leid, dass ich dir das angetan habe. Es tut mir so leid“, flüsterte sie. Sie hob seinen Oberkörper wieder leicht an und bettete seinen Kopf in ihrem Arm. Ja, er atmete immer noch. Sie streichelte seine Stirn. Kiran stöhnte gequält. Ob er aufwachte?
Daniela sah hinüber zum Bett. Sie war sich nicht sicher, ob sie es noch mal schaffte, ihn dort hinzuschleifen. Es war wohl besser, hier zu warten, bis er zu sich kam. Sie legte ihn ab und stand auf, um eines der Kissen zu holen, die auf dem Bett lagen. Sie kniete sich wieder neben ihn und bettete seinen Kopf auf die weiche Unterlage.
Jetzt brauchte sie erst mal eine
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