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Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Titel: Follower - Die Geschichte einer Stalkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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keine Ahnung, aber er fühlte sich elend. Neben sich spürte er jemanden, der ihn berührte. Eine Stimme. Panik durchflutete ihn, denn mit einem Mal wusste er, dass er getötet werden sollte. Die Person neben ihm, die er nicht sah, würde es tun. Kiran war sich sicher. Die Todesangst schnürte ihm erst die Kehle zu, aber dann hörte er die Schritte seines unsichtbaren Mörders und er schrie in Erwartung der Schmerzen, die gleich folgen mussten. Schwäche ließ ihn zurück ins Nichts sinken und dort blieb er, zitternd vor Angst, was als Nächstes geschehen würde. Er verbrachte eine Ewigkeit in diesem Zustand und hin und wieder glaubte er, etwas von seiner Umwelt wahrzunehmen. Etwas Bekanntes, aber alles, alles schien ihm bedrohlich. Die Schreckensvision seines Mörders kam wieder und als eine Hand sich auf ihn legte, glaubte er ohnmächtig zu werden vor Angst. Aber die Hand fügte ihm keinen Schmerz zu.
    Wieder verging eine lange Zeit und Kiran erkannte seine Umgebung jetzt, auch wenn er die Tragweite seines Zustandes nicht begriff. Ihm war übel und er zitterte unkontrolliert. Die Übelkeit verstärkte sich. Er sah zum Badezimmer und richtete sich auf. Dann sank er auf den Boden neben dem Bett. Wie er es bis ins Bad schaffte, konnte er später nicht mehr sagen. Aber er erreichte es noch rechtzeitig, um sich in die Toilette zu übergeben. In seinem Magen gab es nichts, was man ausspucken konnte, aber er übergab sich trotzdem. Sein Körper krampfte sich zusammen und Kiran glaubte, sein Innerstes würde nach außen gestülpt. Wieder und wieder. Dann lag er erschöpft auf dem Boden. Es dauerte lange, bis er sich am Waschbecken hochziehen und den Mund ausspülen konnte. Er sank zurück und fühlte die kalten Fliesen unter sich. Er hatte etwas trinken wollen, aber dazu fehlte ihm die Kraft. Als er die fremde Hand wieder auf sich fühlte, zuckte er zusammen.
    „Nicht …“, flüsterte er. Mehr brachte er nicht heraus. Er wollte um sein Leben bitten, aber er war zu schwach und Sprechen war so unendlich schwer.
    „Ganz ruhig. Ich bin es doch. Daniela“, sagte die Stimme und Kiran überlegte, ob ihm das irgendwas sagte. Nebel schwebten vor seinen Augen. Er sah nichts mehr. Arme schoben sich unter seinen Körper und hoben ihn an. Sein Mörder war wieder da und gleich würde der Schmerz anfangen, dem der Tod folgte. Kiran spürte, dass er starb. Der Prozess des Sterbens wurde eingeleitet. Irgendwo in seinem Bewusstsein empfand er Dankbarkeit, dass es jetzt geschah, bevor der Mörder ihn quälen konnte. Er schwebte, fühlte seine Umgebung nicht mehr und etwas löste sich.
    Meine Seele.
    Was immer es war, es entfernte sich von ihm, flog sachte davon und kappte eine Verbindung. Es war eine eigenartige Erfahrung, seinen Geist getrennt von seinem Körper zu wissen. Er hatte nicht gewusst, dass das möglich war. Und dass sich sterben so anfühlte … Kiran gab nach und wehrte sich nicht mehr dagegen.
     
    Langsam machte sich Daniela große Sorgen. Sie hatte im Netz alles Mögliche gefunden, aber nichts, was ihr bei Kirans Zustand weiterhalf. Sie lagerte ihn in ihren Arm und wiegte ihn sanft, um ihn zu beruhigen. Er hatte Angst. Das konnte eine Nebenwirkung sein oder so was. Jetzt sah er mit trübem Blick zu ihr auf. Ganz kurz kam ihr ein Bild in den Sinn. Kiran
    Alexander …
    lehnte an der Kulisse im Garbacher Hof und lachte sein wundervoll klingendes Lachen, das sie so liebte. Und sie beobachtete ihn durch den schwarzen Bühnenstoff. Er scherzte, wirkte munter und gesund. Diese Szene spielte in einer anderen Welt. Denn jetzt lag dieser junge Mann in ihren Armen; nur noch ein Schatten seiner selbst, vollgepumpt mit Drogen. Und er lachte nicht und er reagierte nicht mehr.
    Kiran verdrehte die Augen und dann erschlaffte sein Körper. Daniela erschrak und hielt ihr Ohr an seinen Mund. Wahrscheinlich war er nur ohnmächtig. Aber da war nichts. Kiran atmete nicht mehr.
     
    Der Schriftzug von „Berlin im Herzen“ erschien auf dem Bildschirm, das große rote Herz prangte dahinter. Am Wochenende wiederholten sie die Folgen der letzten Woche und normalerweise schaltete Patricia sofort um. Sie sah den Kram jeden Tag und wollte sich das nicht auch noch in ihrer Freizeit zumuten. Aber diesmal blieb sie dran. Sie beobachtete die ablaufenden Szenen und achtete auf Kleinigkeiten im Hintergrund, ließ ihre Gedanken schweifen. Als Kiran vor die Kamera trat und lächelte, machte sich ein beklemmendes Gefühl in ihr breit. Dort war er. Und

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