Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
zwischen seinen Handgelenken und bevor Kiran begriff, was sie tat, hatte sie das Fahrradschloss um die Kette und das Metallgitter des Bettes geschlossen.
„Was machst du?“, fragte er. „Was hast du vor?“
„Wir werden umziehen. Und ich kann dich nicht ständig beaufsichtigen. Ich muss ein paar Dinge vorbereiten. Wenn du gut mitmachst, passiert dir nichts. Ich will dir keine Drogen geben, aber wenn du mich dazu zwingst, dann ist das deine Sache. Ich hab’s dir vorher gesagt.“
Sie überprüfte das Schloss noch mal. Dann ließ sie ihn allein.
Kiran sah ihr nach. Er war voller Angst und er fühlte sich erschöpft, vergiftet und krank. Diese Frau hatte ihn beinahe umgebracht mit ihrem Drogencocktail. Die Wirkung ebbte ab und er wusste wieder, wo er war und wer er war. Aber sie konnte es wieder tun. Und diesen Horror-Trip stand er kein zweites Mal durch. Die Todesangst und das Gefühl, zu sterben. Die Übelkeit und die Hilflosigkeit. Er würde alles tun, um das nicht wieder erleben zu müssen. Und Daniela drohte ihm mit dieser Spritze und er hatte sich an das Bett fesseln lassen vor Angst.
Wohin wollte sie ihn bringen und was konnte er dagegen tun? Kiran beschloss, die erste Gelegenheit zu nutzen, die sich ihm bot, um Daniela auszuschalten. Und dann würde er um Hilfe rufen.
Scheiß auf die Schlüssel, scheiß auf alles!
Sie verwandelte ihn in ein winziges Häufchen Elend, das um sein Leben bettelte. Aber so kampflos wollte er sich ihr nicht ergeben. Das große Übel war, dass er sie nicht dazu zwingen konnte, die Schlüssel zu holen, wenn er sie in seiner Gewalt hatte. Dafür musste er sie freigeben und dann hatte sie wieder die Oberhand. Aber Kiran konnte sich nicht mehr beherrschen. Wut und Furcht wechselten sich in ihm ab.
Und dann kam ihm eine Idee. Wenn sie nochmals mit dieser Spritze auftauchte, dann würde er ihr das Ding aus der Hand winden und dem Mädchen die Dosis verpassen. Wenn er wieder halbwegs bei Kräften war, konnte er das schaffen. Er würde es tun, sobald sie das nächste Mal diese Fahrradkette entfernte.
14
„Sie ist meine Schwester“, sagte Patricia und musste an eine Schallplatte mit Riss denken. Fast dreißig Telefonate später hatte sie noch keine Spur von Daniela. Die Vermieter gaben meistens Auskunft, deshalb blieb sie bei ihrer Schwester-Geschichte. Einige gingen nicht ans Telefon.
„Kann ich Ihnen nicht sagen. Mein Mann macht das mit den Gästen“, sagte die Frau, die Patricia in diesem Moment an der Strippe hatte.
„Ah, okay. Wann kommt ihr Mann denn wieder?“, fragte Patricia.
„Ich denke gegen Abend.“
„Darf ich Sie dann noch mal anrufen? Das wäre eine große Hilfe.“
Die Frau zögerte nur kurz. „Wenn Sie wollen … rufen Sie nur an.“
„Danke! Vielen Dank!“, sagte Patricia. Sie legte auf und markierte den Namen und die Telefonnummer. Das tat sie bei allen, die noch nicht aus dem Rennen waren. Die Liste war lang. Unglaublich, wie viele Ferienunterkünfte und schnell mietbare Objekte es in der Umgebung gab. Etwa zwei Drittel von ihnen konnte sie als Versteck von Daniela ausschließen, aufgrund der Lage oder der Informationen der Vermieter. Einige standen noch aus, aber dort erreichte sie niemanden oder die Vermieter konnten nichts dazu sagen. Patricia sah auf die Umgebungskarte, die sie sich ausgedruckt hatte. Sie versuchte, die restlichen Objekte nach ihrer Lage im Berliner Umland zu gruppieren. Ihr Interesse weckten vor allem die Häuschen, die isoliert standen. Da gab es nur wenige und sie konnte alle Adressen mit dem Auto abfahren und wenigstens einen Blick darauf werfen.
Seh ich hier nur einen Wagen vorfahren, ist Kiran tot.
Sie musste vorsichtig sein. Den Wagen vorher abstellen, sich zu Fuß anschleichen. Dann schauen, ob ein kleines blaues Auto vor der Tür parkte. Mit fremdem Kennzeichen. Und dann? Die Polizei holen war ein Risiko. Ihn selbst befreien? Sie hatte keine Ahnung, wie. Und Daniela besaß vielleicht eine Waffe …
Seh ich hier nur einen Wagen vorfahren …
Wo war hier ? Ein Ort, wo man sehen konnte, wenn sich ein Auto näherte. Und an diesem Ort schien das nicht selbstverständlich zu sein, dass dort Autos passierten, sonst hätte Daniela sich anders ausgedrückt. Ein Privatweg? Patricia stand auf. Nichts hielt sie mehr an ihrem Schreibtisch. Sie musste handeln, wenn sie nicht durchdrehen wollte. Sie nahm ihre Notizen an sich und schnappte ihre Handtasche. Im Gehen überlegte sie, ob es eine gute Idee war, etwas
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