Fool on the Hill
einsog und sich wie ein Ballon aufblähte.
»Gütiger Himmel«, rief George, als die Kreatur die Größe eines kleineren Hundes erreicht hatte und noch immer weiterwuchs. Der Drache hörte jetzt auf, nach Luft zu schnappen, und heftete mit einem Zischen die Augen auf ihn. Spannte die Muskeln an, schien sich zum Sprung zu sammeln. George vergeudete keine Zeit mit Gaffen. Ohne zu überlegen, schwang er beide Beine von unten gegen den Couchtisch und warf ihn um. Drache, Schreibmaschine und Büchse der Pandora flogen wie von einem Katapult abgeschossen in die Luft und landeten krachend neben dem Sofa auf dem Boden. Der Tisch selbst streckte die Beine nach oben und schrumpfte wie eine angestochene Gummimatratze in sich zusammen, wobei er drei verschiedene Schattierungen von Indigo durchlief und sich zuletzt vollends auflöste.
Eine Waffe. Er mußte eine Waffe finden, und zwar schnell. Während sich der Drache aus den Trümmern der Schreibmaschine freikämpfte und die schon getippten Seiten der ›Brille des Heils‹ wie riesige Falter unter der Zimmerdecke schwebten, warf George einen hastigen Blick durch das Zimmer. Er sah nichts, was als Knüppel oder Keule hätte dienen können, auch nichts Spitzes oder Scharfes. (Früher einmal hatte er zwar die Nachbildung einer Wikinger-Streitaxt an der Wand hängen gehabt, doch sie rostete schon seit langem auf irgendeinem Schrottplatz der Tompkins County still vor sich hin.) Georges verzweifelter Blick fiel auf Kalliopes Gewand, das auf dem Boden lag. Er erinnerte sich dunkel an ein altes Märchen, in dem ein Prinz ein Ungeheuer mit Hilfe des Gürtels einer holden Maid an die Leine legte, und bückte sich nach dem Häufchen Stoff.
Kaum hatte er das Gewand ergriffen, als sich der Drache auch schon auf ihn stürzte. George hielt das Kleidungsstück wie ein Torero die Capa und wedelte damit in der Hoffnung, das Untier abzulenken. Doch der Drache, von einem Flüstern silberner Schwingen getragen (er schien auf keinen besonderen Wind angewiesen zu sein), zögerte nicht: Er würdigte das Gewand keines einzigen Blicks und schoß geradewegs auf Georges Brust zu. Erst im letzten Moment wirbelte der Geschichtenerzähler das Kleid herum und hielt es vor sich wie einen Schild.
Elfenbeinerne Fänge und Krallen zerfetzten den Stoff ohne Mühe; zähnestarrend schoß die Schnauze des Drachens aus dem Loch hervor. Blitzschnell warf George den Oberkörper zurück, packte dabei gleichzeitig den breiten Saum mit beiden Händen und schlang ihn dem Ungeheuer wie eine Garrotte um den Hals. Erstaunlicherweise schien das zu funktionieren: Der Drache begann rückwärts zu flattern, den Kopf hin und her zu schleudern und dabei zu zischen und zu fauchen, als ginge ihm die Luft aus. Er schien sogar wieder ein Stückchen zu schrumpfen. Plötzlich übermütig, riß George fester an beiden Enden, wild entschlossen, seine Stoffschlinge noch enger zusammenzuziehen und das Vieh zu erdrosseln.
»Das war’s! Jetzt hab ich dich, du -« Georges Siegesschrei verstummte abrupt, als der Drache ihm gleichzeitig eine Rauchfahne ins Gesicht spie und mit einem weit ausgeholten Tatzenhieb den Arm aufschlitzte. Gleichzeitig mit dem plötzlichen Schmerz spürte der Geschichtenerzähler, wie sich sein Griff lockerte, und ehe das Gewand ihm vollends entglitt, benutzte er es als Schleuder und beförderte damit das Ungeheuer in eine Ecke des Zimmers. Dann taumelte er zurück. Seine Augen tränten reichlich, der Arm blutete aus drei tiefen Rißwunden.
Ein Flügelschwirren, und der Drache hatte sich aufgerappelt und ging wieder zum Angriff über. George zog sich schleunigst in die Küche zurück, wo polychrome Sonnenstrahlen (jede Farbe des Spektrums kam vor, nur nicht das normale vormittägliche Gelbweiß) durch das Fenster hereinströmten. Es wäre bestimmt sehr schön gewesen, einfach stehenzubleiben und das Schauspiel zu genießen; wenn er nur Zeit dazu gehabt hätte.
»Ach, fahr zur Hölle!« schrie George, kickte die Kühlschranktür auf und knallte sie dem Drachen, der in die Küche geschwirrt kam, vor die Nase. Dann setzte er seinen Rückzug fort, wobei er mit allerlei Gerätschaften, Gewürzgläsern, Orangensafttüten und was ihm sonst noch in die Hände fiel, um sich warf und damit nicht mehr erreichte, als seinen Verfolger immer nur für einen Augenblick aufzuhalten. Ein letztes Saftgeschoß, und George entwischte in die rückwärtige Diele. Da er ahnte, daß er es niemals bis zur Hintertür schaffen würde (und
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