Fool on the Hill
bereitete ihm sein Anblick einen Schock.
»Du siehst wie Raaq aus«, rief Luther, dessen Entschlossenheit nacktem Entsetzen wich, und er bedauerte sehr, nicht weggelaufen zu sein, als er es noch gekonnt hätte.
»Nein«, erwiderte der Wolfshund zähnebleckend. »Nicht Raaq. Kein Teufel. Ich bin ein Henker, Krätze. Dein Henker.«
»Ein Henker. Und schau, was das Töten aus dir gemacht hat. Deine Seele gehört jetzt Raaq.«
»Er mag meine Seele haben, aber ich habe mein Leben. Und meine Rache. Ich werde dich Stück für Stück auseinandernehmen, Krätze. Ganz langsam. Wirst du wirklich einfach nur dastehen und mich machen lassen? Ohne Widerstand zu leisten?«
Der Wolfshund musterte ihn kurz.
»Du machst dir Sorgen um den Kater, nicht?«
»Wo ist Blackjack?« fragte Luther und fürchtete sich vor der Antwort. »Hast du -«
»Ich wollte ihn eigentlich hier dabeihaben«, erwiderte Drakon. »Seine Leiche, meine ich. Um sie dir zu zeigen. Aber du wirst ihn nie wiedersehen, Krätze. Selbst wenn du dir einreden solltest, daß du irgendwie an mir vorbeikommst - daran brauchst du nicht zu zweifeln. Er ist gefallen. Sehr tief gefallen.«
»Katzen sind wahre Meister im Fallen.«
»Nicht in diesem Fall. Und große Schwimmer sind sie auch nicht. Er ist tot.«
»Aber seine Leiche hast du nicht.« Luther verspürte eine plötzliche, irrationale Hoffnung. »Tot gesehen hast du ihn nicht, oder?«
»Er ist tot«, wiederholte Drakon.
»Aber sicher bist du nicht, was ? Du hast keinen Beweis dafür.«
»Er ist tot, ich weiß, daß er tot ist, und ich habe es nicht nötig, irgendwas zu beweisen.« Wut stieg in ihm auf. Der Kater war mit Sicherheit erledigt - nichts und niemand hätte einen solchen Sturz überleben können -, aber zur Hölle mit dieser Krätze, die es geschafft hatte, einen wenn auch noch so winzigen Zweifel zu säen. »Er ist tot. Jetzt bist du dran.«
Drakon erhob sich aus seiner kauernden Stellung und kam mit raschen Schritten, aber ohne zu rennen, auf ihn zu. »Ich könnte mir vorstellen, daß du doch kämpfst«, sagte er, als er die halbe Entfernung zwischen ihnen zurückgelegt hatte. »Ich könnte mir vorstellen, daß der Schmerz dir soviel Angst einjagt, daß du dich doch zur Wehr setzt.«
In diesem Augenblick wußte Luther selbst nicht genau, was er tun würde: kämpfen oder versuchen wegzulaufen oder einfach stehenbleiben und sich abschlachten lassen. Was er schließlich tat - und er wußte selbst nicht, warum -, war, eine letzte Frage zu stellen.
»Wie bist du den Fängern entkommen, Drakon?« fragte er.
Und eine plötzliche Eingebung ließ Drakon im Gehen innehalten.
»Fänger sind gar nicht so schlimm«, erwiderte der Wolfshund. »Sie haben weiche Kehlen, Krätze.«
Luther begriff und war entsetzt, genau wie Drakon es beabsichtigt hatte.
»Du hast einen Herrn getötet? Du hast einen Menschen getötet?«
»Zwei von der Sorte, Krätze. Einen Fänger und einen anderen unterwegs, eine Frau. Ich hatte Hunger, einen richtigen Wolfshunger...«
»Du bist verdammt«, sagte Luther zu ihm. »Dafür bist du verdammt.«
»Komisch, das Verdammtsein macht mir kein bißchen angst. Im Gegenteil, ich fühle mich dadurch stärker. Aber wenn es dich derart mit Abscheu erfüllt, warum greifst du mich nicht an? Das würde mir gefallen. Laß deinen Ekel an mir aus. Versuch's.«
»Nein«, sagte Luther, ohne zu zögern. »Ich werde keinen Hund töten, nicht einmal dich. Niemals. Raaq wird meine Seele nicht bekommen.«
»Feigling. Einfältiger kleiner Köter -«
»Bin ich nicht«, erklärte der Mischling mit fester Stimme. »Du bist um soviel größer als ich, ich weigere mich, gegen dich zu kämpfen, und doch wirst du mich töten, obwohl ich dir überhaupt nichts getan habe. Wer ist denn nun der Feigling, Drakon?«
»Feige oder nicht, du bist ein toter Hund«, sagte der Wolfshund zu ihm, doch ehe er springen konnte, lenkte ein Geräusch sie beide ab.
Stiefel auf Beton. Schritte.
Eine vom Nebel verwischte Gestalt kam die Cayuga Street entlang auf sie zu.
»Möchtest du gern sehen, wie ich einen Menschen töte, Krätze?«
»Nein«, bettelte Luther. »Nein, Drakon, das kannst du nicht tun.«
»Es ist einfach«, versicherte ihm der Wolfshund. »Aber du kannst ja immer noch versuchen, mich aufzuhalten.«
»Drakon, NEIN!«
Zu spät. Der Reinrassige hatte sich schon mit gebleckten Zähnen in Bewegung gesetzt. Luther bellte, um den Herrn zu warnen, aber der schien ihn nicht zu hören und kam immer näher. In
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