Fool on the Hill
Myoko, etwas weniger überwältigt. »Es steht nicht ein einziger Wagen vor dem Haus. Ist das überhaupt erlaubt, eine Verbindung ohne Autos?«
Löwenherz lächelte. »Vielleicht haben sie einen Stall.«
Der Haupteingang war ein großes bogenförmiges Tor mit eisenbeschlagenen Eichenholzflügeln. Der Schlußstein trug die Inschrift: TOLKIEN-HAUS. GESCHENK EINER DAME . Und darunter stand zu lesen: Pedo mellon a minno.
Myoko wunderte sich wieder. »Beschenken reiche Frauen nicht gewöhnlich Studentenverbindungen?«
»Vielleicht hat sie gesponnen«, schlug Löwenherz vor. Er wandte sich an den Top. »Was soll das Pedomellon-Zeugs?«
»Es is Eibisch«, erklärte der Top. »Tolkien hat einen Haufen Phantasiesprachen erfunden. Er war so’n Dings, Philologe, und -«
Löwenherz hob eine Hand, um seinem Redefluß Einhalt zu gebieten. »Kannst du das übersetzen?«
»Klar. Es is so was wie ‘n Kennwort: Sag ›Freund‹ und tritt ein.« »Freund«, sagte Löwenherz und streckte die Hand nach einem der schweren eisernen Türklopfer aus. Noch bevor er ihn berührte, ging das Tor nach innen auf und gab den Blick auf einen halbdunklen, mit grauen Steinplatten ausgelegten Korridor frei. Drinnen war niemand zu sehen; das Tor hatte sich anscheinend selbsttätig geöffnet.
»Unsichtbarer Butler«, bemerkte Löwenherz. »Gefällt mir gut.«
Sie traten ein, und es überraschte niemanden besonders, als sich die Türen hinter ihnen von selbst wieder schlössen. Sie befanden sich nun in einem gewölbten Vorraum; auf einem Kleiderständer saß eine ausgestopfte Drossel und starrte sie spöttisch an. Links davon war eine weitere Tür in die Wand eingelassen, und darüber prangte ein Schild mit der Aufschrift: EINGANGSHALLE UND MICHEL-DELVING-MATHOM-HAUS.
»Mathom-Haus?« fragte Löwenherz.
»Is ne Art Museum«, erklärte Z. Z. Top. »Von Hobbits unterhalten.«
»Hobbits?«
»Kleine Leute mit haarigen Füßen. Starke Esser und Raucher, aber sonst okay.«
Löwenherz nickte und streckte die Hand nach der Klinke aus, doch wieder öffnete sich die Tür, noch ehe er sie berührt hatte. Dahinter war ein gewaltiger Raum. Von innen dröhnte ihnen Shen Hans Stimme entgegen.
»Willkommen in Mittelerde«, sagte er.
II
Die Tolkienia hatte drei Präsidenten: Shen Han, Amos Noldorin und Lucius DeRond. Sie waren in schlichte Gewänder gekleidet und trugen als Symbol ihrer Würde einen Ring mit je einem Edelstein: Shen Han hatte einen Rubin, Noldorin einen weißen Opal und Lucius einen Saphir. Sie erwarteten ihre Gäste am westlichen Ende des Mathom-Hauses, das eigentlich eine ungeheure Halle mit tonnenförmigem Glasdach war. Das einfallende Sonnenlicht spiegelte sich in Dutzenden von Vitrinen, die verschiedene Gegenstände aus Tolkiens Werk enthielten. Alle Exponate waren sorgfältig mit Schildchen versehen, die über das betreffende Objekt und seine Geschichte Auskunft gaben - mit einer Ausnahme: auf einem Sockel genau im Mittelpunkt des Saales befand sich ein fugenloser Glaskasten, in dem eine breite, schimmernde Lanzenspitze lag. Diese Vitrine trug keinerlei Aufschrift.
»Danke, daß ihr gekommen seid«, begrüßte sie Shen Han, indem er ihnen, von den zwei anderen Präsidenten begleitet, gemessen entgegenschritt. Er reichte Löwenherz die Hand und machte die Anwesenden miteinander bekannt. »Ich hoffe, ihr werdet uns nicht eher verlassen, als bis es uns gelungen ist, euch als neue Brüder und Schwestern zu gewinnen.«
»Das müssen wir unbedingt gründlich ausdiskutieren«, erwiderte Löwenherz. Er sah sich bewundernd im Saal um. »Sehr eindrucksvoll.«
»Das ist noch gar nichts«, versicherte ihm Shen Han. »Es gibt noch ganz andere Dinge in diesem Haus, Dinge, die ihr kaum für möglich halten werdet. Später werden wir einen Bruder bitten, mit euch den Großen Rundgang zu machen.«
»Wer hat das alles gebaut?« fragte Myoko, während sie voller Staunen zum Gewölbe emporblickte, das ohne weiteres einer Fregatte als Glasrumpf hätte dienen können.
»Die Dame hat es erbaut«, antwortete Noldorin.
»Die Dame?«
»Das ist der einzige Name, unter dem wir sie kennen«, erklärte Shen Han. »Die Gründerin der Verbindung ist seit jeher anonym. Irgendwie paßt das; die Magie kann ohne Geheimnis nicht leben und wir in gewissem Sinne nicht ohne Magie. Das einzige, was man mit Sicherheit weiß, ist, daß sie Tolkiens Werk liebte, diese Universität schätzte... und über die nötigen Geldmittel verfügte, um Träume
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