Fool on the Hill
Erkenntnis, die sich ihm zuletzt nun doch aufdrängte.
Das haben wir alles hinter uns gelassen... zusammen mit Drakon.
Hatten sie wohl auch. Doch was, wenn das Böse, Raaq — gleichgültig, wie sehr Luther dies zu leugnen wünschte -, selbst hier, an diesem Ort, Macht besaß... ?
Dieser Gedanke überstieg seine Kräfte. Er hob den Kopf und stimmte ein Geheul an: älteste Sitte seines Geschlechts, den Mond anzuheulen. Wenngleich es natürlich der Himmel war, den man dabei anheulte. Das war auch ganz vernünftig so; wo immer man gerade sein mochte, gab’s im Himmel eine Menge Platz - Platz genug für das lauteste, qualvollste Geheul. Und natürlich war es sehr, sehr wichtig, daß Wut und Schmerz Platz genug hatten, wenn man sie aus sich herausließ.
Andernfalls hätten sie auf einen zurückfallen und einen ersticken können.
V
An einem anderen Ort:
In einem der hohen Schlafzimmer im mittleren Turm der Risley Hall liebten sich Löwenherz und Myoko in höchster Vollendung. Fast alle Zimmer des Wohnheims waren Schauplatz vergleichbarer Bestrebungen. Man sollte informationshalber erwähnen, daß Risley ein Stahlbetonbau war: eine der ersten Konstruktionen dieser Art überhaupt und entsprechend massiv. Dennoch vibrierte das Gebäude in dieser Nacht von der Energie, die in seinen Mauern freigesetzt wurde. Diese kaum merkliche Schwingung übertrug sich auf Grillen und sonstiges Nachtgetier in der ganzen Umgebung und versetzte es in eine Raserei, die sich in einem ohrenbetäubenden Zirpen kundtat.
Es war eine Nacht für Premieren wie für Reprisen. Als der Fiebertraum in den frühen Morgenstunden schloß, gab Aphrodite Bettelstabs Drängen endlich nach, und die beiden vollzogen unter Aufbietung beträchtlicher gymnastischer Fähigkeiten die Liebe in den unteren Ästen eines Ahorns. Der Baum kam knapp mit dem Leben davon.
Blackjack und Zobel paarten sich in einem Knäuel von Klauen und Katzenhaar; Nattie Hollister von der Ithaca-Stadtpolizei schlief mit ihrem Mann und brach anschließend vor Erschöpfung zusammen; oben auf dem Hügel war die ganze Fraternity Row ein einziges Gebumse und Geschiebe. Überall das gleiche, überall anders, und es wurde wirklich spät, bis das letzte bißchen Energie verpufft war und eine Aura des Friedens sich sanft über die Stadt legte.
Doch selbst dann schlief nicht jeder.
VI
George stand nackt am Fenster seines Schlafzimmers und spähte ins Dunkel, ohne sich um etwaige Passanten zu kümmern, die ihn von draußen hätten sehen können. Auf seinen Körper bildete er sich nicht allzuviel ein, und er wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß ein Voyeur (oder eine Voyeuse) sich dafür hätte interessieren können. Mal ganz abgesehen davon, daß um diese Uhrzeit nur noch herzlich wenige Spanner auf Achse gewesen sein dürften; der Mond war schon fast untergegangen, bis zum Morgengrauen konnte nicht viel mehr als eine Stunde fehlen, und die meisten spannenswerten Aktivitäten hatten mittlerweile ohnehin aufgehört.
Das Haus war ein einziges Schlachtfeld. George und Kalliopes Liebesnacht - die, schriftlich festgehalten und veröffentlicht, die gesamte Leserschaft des ›Penthouse‹-Forums zu Begeisterungsstürmen hingerissen hätte - hatte nacheinander sämtliche Zimmer der Wohnung in Mitleidenschaft gezogen und eitel Chaos und Verwüstung hinterlassen. Möbel waren verschoben oder umgekippt; das zweisitzige Sofa im Wohnzimmer hatte alle viere von sich gestreckt und war wie ein verrecktes Kamel zusammengebrochen. Das Badezimmer stand unter Wasser, und die Dusche rauschte noch immer, was das Zeug hielt; draußen in der Diele hing ein Spinnennetz aus Klopapier von der Deckenlampe herab. In der Küche brummte der Kühlschrank mit offener Tür vor sich hin, seitdem verschiedene Nahrungsmittel entnommen und allerlei interessanten Verwendungszwecken zugeführt worden waren; ebenso standen alle Küchenschränke sperrangelweit offen, und die Flasche Weizenkeimöl war leer. So ziemlich das einzige unbehelligt gebliebene Inventarstück war Georges Schreibmaschine - ein unbeteiligter Zeuge im Auge des Sturms.
Wie lange? fragte sich George. Wie lange haben wir es gemacht?
Er konnte bestenfalls sagen, daß es sehr lange gedauert hatte - viel länger, als er es eigentlich (selbst bei eitelster Selbstüberschätzung) aus eigenem Vermögen hätte durchhalten können. Es war so, als habe ihm eine unbekannte Macht Beistand geleistet und ihm dadurch ermöglicht, mit Kalliope stundenlang,
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