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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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sich.
    Dabei hätte es doch um das Geld gehen sollen. Das Geld war in einer Stunde immer noch etwas wert. Die Pokerchips waren wie Seifenblasen, die jeden Augenblick platzen konnten. Es waren aber die Besitzer der Chips, die zu den Herrschern des Spiels und des Markts geworden waren. In sieben kurzen Stunden waren sie darauf dressiert worden, die Chips für Geldautomaten zu halten, die immerzu Zwanziger ausspuckten. Und obwohl ihr Verstand es besser wusste, wollte ihr Herz, dass sie Chips sammelten.
    Um 4 Uhr 53, sieben Minuten vor der letzten Ausschüttung, verkaufte er seinen Chip dem lesenden Mädchen für 35 Dollar. Er grinste schon breit, doch das Grinsen wich aus seinem Gesicht, als sie ihn für 50 Dollar an den Rotschopf verkaufte. Der Versuchsleiter kam herein und verteilte seine Zwanziger. Dann dankte er ihnen für ihre Zeit und schickte sie heim.
    Keiner sah beim Rausgehen irgendwen an. Niemand tauschte Telefonnummern, E-Mail- oder IM -Adressen aus. Es war so, als schämten sich alle für das, was sie getan hatten. So, als hätten sie gemeinsam jemanden verprügelt oder eine Hexe verbrannt. Und jetzt wollten sie alle nur noch weg. Weit weg.
    Noch Jahre später hatte Connor über die Besessenheit gegrübelt, die diesen Raum voll ganz normaler Menschen ergriffen, sich auch in sein Herz geschlichen und ihn wie eine Sucht umgetrieben hatte. Was hatte ihn in diese peinlichen Niederungen hinuntergezogen?
    Jetzt, als er den Wert seiner virtuellen Anlagen wachsen und wachsen und wachsen sah – mehr noch, als seine Formel vorhersagte, viel mehr, als irgendein vernunftbegabter Mensch dafür zu zahlen bereit sein sollte – , begriff er.
    Das bestimmende Gefühl, das damals ihr Antrieb gewesen war und das auch jetzt die unsichtbaren Bieter auf dem ganzen Globus antrieb: Es war nicht Gier.
    Es war der Neid .
    Gierwarvorhersagbar:WenneinStückPizzagutgeschmeckthat,sagteinemdieEingebungnatürlich,dassesjetztschönwäre,nochfünfoderzehnStückdavonzuhaben.
    Bei Neid ging es aber nicht darum, was gut war: Es ging darum, was andere Leute für gut hielten. Neid war das Teufelchen auf der Schulter, das einem immerzu ins Ohr flüsterte: Das Auto deines Nachbarn, sein Einkommen, seine Kleidung, seine Freundin: Ist all das nicht besser, schöner oder teurer als das, was du besitzt? Neid war der Dolch im Herzen eines Menschen. Im Nu konnte er Glück in Unglück und Unzufriedenheit verwandeln, ohne dass sich an der Welt irgendetwas geändert hätte. Ein perfektes Leben konnte zum Fiasko werden, einfach nur, weil man sich mit jemandem verglich, der mehr oder Besseres oder Schöneres besaß.
    Neid war es gewesen, der die Hitze von Kauf und Verkauf im Labor befeuert hatte. Der Rotschopf, der seinen Geldbeutel leergeräumt und sogar Schuldscheine ausgestellt hatte, war von der Angst getrieben worden, nicht dasselbe wie die anderen zu bekommen. Auch Connor hatte seinen Chip zu guter Letzt verkauft, weil alle anderen dadurch scheinbar reich geworden waren. Er hätte seinen Chip auch einfach acht Stunden behalten und dann 160 Dollar reicher nach Hause gehen können. Die Zeit bis dahin hätte er sinnvoller mit Lernen, Dösen oder Yoga verbracht. Doch er hatte das Sirenenlied vernommen: Alle anderen werden reich, wieso nicht du?
    Und auch jetzt drehten die Märkte durch, und alles stieg im Preis: Seine Sammlung roter Ochsenschwänze (nützlich als Zutat für Offenbarungszauber in Endtimes ) hätte für $ 4,21 das Stück weggehen sollen. Er hatte sie noch für $ 2,10 gekauft. Momentan kosteten sie $ 14,51 .
    Es war verrückt.
    Es war wunderbar.
    Er wusste aber, dass es nicht von Dauer sein konnte. Irgendwann würden die Märkte erkennen, dass die Güter alle überteuert waren – so, wie sie es erkannt hatten, als sie noch unter Preis gehandelt worden waren. Die Gebote würden aufhören. Der letzte und ängstlichste Bieter, der sich noch ein sündhaft teures Item sicherte, würde es kaum mehr losbekommen und im Endeffekt drauflegen.
    Wenn er vernünftig sein wollte, verkaufte er am besten zu genau dem Preis, den seine Formel vorhersagte. Alles andere hieße nur, auf die Unvernunft der anderen zu setzen. Und dennoch: War es wirklich klug, seine 50 Ochsenschwänze für 200 Dollar zu verschleudern, wenn er sie ein paar Minuten später vermutlich für 700 losbekam? Nun, es musste ja nicht alles oder nichts sein. Er teilte seine Investitionen in zwei Gruppen auf: Die, die er am billigsten bekommen hatte, legte er sich zurück, um sie so teuer

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