For the Win - Roman
wie möglich zu verkaufen. Sie stellten das geringste Risiko in seinem Inventar dar, und ihr Verlust war am ehesten zu verschmerzen. Die restlichen Items verkaufte er, sobald sie den von seiner Formel vorhergesagten Preis erreicht hatten.
Die zweite Gruppe wurde er schnell los. Dann schaute er zu, wie seine spekulativen Anlagen in den Himmel wuchsen. Er hatte ein Dutzend Spiele auf seinem Computer am Laufen, wechselte zwischen ihnen hin und her und verfolgte die Neuigkeiten. Auch die angeschlossenen Webseiten und Umschlagplätze behielt er im Blick. Als er die Tweets und die Statusmeldungen der sozialen Netzwerke filterte, kam ihm das alles auf einmal schrecklich vertraut vor: Die Leute da draußen waren von fast dem gleichen Wahn befallen wie die Teilnehmer des Pokerchip-Experiments. Eigentlich wussten sie alle ganz genau, dass Pfauenfedern und lila Rüstungen lange nicht so viel wert waren. Aber sie wussten auch, dass manche Leute reich mit ihnen wurden. Und dass sie sich nie mehr welche würden leisten können, wenn die Preise noch weiter stiegen.
Dass sie sich früher nie für diese Dinge interessiert hatten, war natürlich ganz egal! Es ging nicht darum, was sie brauchten oder toll fanden, sondern allein um die Vorstellung, dass jemand anderes vielleicht etwas besaß, das sie nie bekommen würden.
Connor hatte seine zweite große Entdeckung gemacht: Neid, nicht Gier, war die machtvollste Kraft hinter jeder Marktwirtschaft.
(Später, als Connor Artikel darüber für Hochglanzmagazine schrieb und allerorten Vorträge zu diesem Thema hielt, würden viele Leute aus dem Marketing darauf hinweisen, dass ihnen das seit Generationen bekannt war und sie seit Ewigkeiten Anzeigen entwickelten, die direkt auf den Neid abzielten. Er musste ihnen recht geben. Aber es war leider auch eine Tatsache, dass praktisch jeder Wirtschaftswissenschaftler, der ihm je begegnet war, Marketingleute für einen Haufen oberflächlicher, alberner Idioten mit mangelhaften Mathekenntnissen gehalten hatte, die man, falls möglich, am besten ignorierte.)
Connor sah dem Neid beim Wachsen zu und versuchte, ein Gespür dafür zu entwickeln, wie man die hochkochenden Emotionen nachverfolgen konnte. Es war schwer – ehrlich gesagt so gut wie unmöglich – , denn niemand hatte die Chatclients, Spiele, Netzwerke und Tweets darauf ausgelegt, so etwas zu messen. Am Ende hatte er ein Dutzend Browserfenster offen, in jedem wiederum ein Dutzend Tabs, durch die er sich so schnell wie möglich hangelte. Er las nicht wirklich, sondern überflog nur, nahm die vorherrschende Stimmung auf. Er konnte das Geld, die Gedanken und die Güter regelrecht spüren und merkte fast intuitiv, wie sich dies alles ständig verschob und verlagerte.
Und so spürte er es auch, als die Stimmung zu kippen begann. Die Anzeichen waren subtil: ein Preisknick auf diesem oder jenem Markt, ein fröhlicher Tweet von einem Spieler, der gerade einen leicht zu besiegenden Miniboss in einem Lager voller Pfauenfedern entdeckt hatte. Die Neidblase stand kurz vor dem Platzen. Jemand hatte sie angepikst, und nun zischte die Luft nur so aus ihr heraus.
VERKAUFEN !
In diesem Moment lagen seine spekulativen Anlagen theoretisch bei über vierhunderttausend Dollar . Doch zehn Minuten später waren es nur noch $ 250000, und der Wert fiel mit rasender Geschwindigkeit. Er kannte auch dieses Gefühl: Angst. Angst, dass jeder zum Zug gekommen war, als die Geschäfte noch liefen, dass die Reise nach Jerusalem vorbei und jeder Platz belegt war. Das Gefühl, dass man selbst der letzte Angsthase in einer langen Reihe von Panikkäufern war, die überteuerten Müll zusammenrafften, nur um ihn noch panischeren Käufern anzudrehen.
Connor aber konnte sich über diese Angst hinwegsetzen, darüber hinwegsegeln und seine Güter methodisch und zielsicher an den Mann bringen. Am Ende kam er mit über $ 120000 aus der Sache raus, plus $ 80000 aus seinen »vernünftig« bewerteten Anlagen, und seine Paypalkonten platzten förmlich vor Geld. Dann war es vorbei.
Nur, dass es noch nicht vorbei war.
Einer nach dem anderen wurden seine Accounts geschlossen, seine Chars rausgeworfen, seine Passwörter geändert. Er war ganz schlapp vor Erschöpfung, und seine Hände zitterten schon, während er immer wieder seine Passwörter eingab. Und dann entdeckte er die E-Mails von den vier Unternehmen, denen die zwölf Spiele, die er gespielt hatte, gehörten: Sie warfen ihn allesamt hinaus, weil er ihre AGB angeblich verletzt
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