For the Win - Roman
hatte. Insbesondere, so hieß es, habe er »die Spielökonomie in einer Art und Weise gestört, die dazu geeignet ist, eine finanzielle Panik auszulösen«.
»Was zum Teufel soll das denn heißen?«, schrie er seinen Computer an und widerstand dem Wunsch, seine Maus an die Wand zu werfen. Er war jetzt seit über 48 Stunden wach, hatte an einem einzigen Wochenende Hunderttausende von Dollar verdient und war mit einer göttlichen Eingebung über die Mechanismen der globalen Märkte bedacht worden. Oh, und er hatte die Korrektheit seiner Formel bewiesen.
Dieses Problem konnte er auch später noch lösen.
Er schaffte es nicht mal mehr bis ins Bett, kauerte sich einfach auf dem Boden in einem Nest aus Pizzakartons und Decken zusammen und schlief die nächsten 18 Stunden durch, bis er vom Gerichtsvollzieher geweckt wurde, der gekommen war, ihn wegen seiner Mietrückstände zwangszuräumen.
Yasmin hatte mit Mala nichts mehr zu tun. Wenn man nicht in ihrer Gang war, wollte »General Robotwallah« auch nicht mehr mit einem reden.
Und Yasmin wollte nicht mehr in ihrer Gang sein.
Auch sie hatte Besuch von Schwester Nor gehabt. Die Frau hatte sie überzeugt. Die Spieler machten fast die ganze Arbeit, sahen aber kaum was von dem Geld. Und so war es nicht nur bei den Spielen: Ihre Eltern hatten ihr ganzes Leben lang für andere geschuftet, und diese anderen waren reicher und reicher geworden, während sie immer noch in Dharavi saßen.
Zugegeben: Mr. Banerjee hatte Malas Armee mehr gezahlt, als man als Kind aus den Slums irgendwo anders verdienen konnte. Dann wurden sie auch noch dafür bezahlt, ihr Spiel zu spielen, was ihr wie ein Wunder vorgekommen war – zunächst. Doch je länger Yasmin darüber nachdachte, desto weniger wunderbar erschien es ihr. Schwester Nor zeigte ihr Bilder der Menschen, deren Jobs sie kaputtmachten: in Indonesien, Thailand, Malaysia, andere in China oder Indien, wieder andere in Sri Lanka, Pakistan und Bangladesch, wo ihre Eltern herkamen. Sie sahen aus wie sie, wie ihre Freundinnen und Freunde.
Auch sie versuchten bloß, über die Runden zu kommen, wollten lediglich ihren Familien helfen, genau wie Malas Armee. »Man muss keinen anderen Arbeitern schaden, um selbst zu überleben«, hatte Schwester Nor gesagt. »Es kann uns allen gut gehen.«
Tag für Tag hatte sich Yasmin vor der Arbeit in Mrs. Dottas Internetcafé geschlichen – die Armee benutzte mittlerweile einen neuen Laden etwas weiter die Straße hinunter, bei der Frauenbäckerei – und mit Schwester Nor gechattet, ihren Geschichten darüber gelauscht, wie alles sein könnte.
Vor den anderen in der Armee hatte sie es geheim gehalten. Für sie war Yasmin Malas treuer Adjutant, standhaft und verlässlich. Sie musste sich um die Disziplin in ihren Rängen kümmern, die Jungs daran hindern, ständig miteinander zu rangeln, und die Mädchen daran, gegeneinander zu intrigieren und Gerüchte zu verbreiten. Für die anderen war sie die strenge Kriegerin, der man in der Schlacht unbedingten Gehorsam schuldete. Sie konnte nicht einfach zu ihnen gehen und fragen: »Habt ihr mal darüber nachgedacht, für die Arbeiter statt gegen sie zu kämpfen?«
Gleich, wie sehr sich Schwester Nor das wünschte.
»Yasmin, sie hören auf dich, sie mögen dich und schauen auf zu dir. Das sagst du doch selbst.« Ihr Hindi hatte einen eigenartigen Akzent und war mit englischen und chinesischen Ausdrücken gespickt. Doch es gab viele seltsame Akzente in Dharavi.
Schließlich hatte sie eingewilligt. Sie hatte nicht versprochen, mit den Soldaten zu reden, bloß mit Mala, die seit ihrer ersten Begegnung ihre Freundin war. Damals hatte sie mit ihrem Bruder einen riesigen Reissack von Mr. Bhatts Laden nach Hause geschleppt und in den Gassen Dharavis verängstigt und verloren gewirkt. Seitdem waren sie und Mala unzertrennlich gewesen, und Yasmin hatte ihr immer alles erzählen können.
»Guten Morgen, General«, hatte sie also gesagt, als sie ihr auf dem Weg zum öffentlichen Wasserhahn begegnete, eine Kanne in jeder Hand, und war neben ihr in Gleichschritt gefallen. Sie nahm ihr eine Kanne ab, griff nach Malas freier Hand und drückte sie schwesterlich.
Mala grinste sie an und erwiderte den Druck, und ihr Lächeln war wie früher, vor den Zeiten General Robotwallahs. »Guten Morgen, Soldat.« Mala war hübsch, wenn sie lächelte. Ihre sonst so ernsten Augen funkelten verschmitzt, ihre Lippen entblößten ebenmäßige Zähne. Wenn sie so lächelte, kam es Yasmin so
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