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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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sie ein natürlicher Prozess, wodurch sie viel mächtiger sind.

22
    Lebendig
    Im Anschluss an das sonntägliche Familienessen ist mein Vater gerne bereit, als Chauffeur einzuspringen. Nachdem ich meine schwarze Hose und die hellgrüne Bluse angezogen habe, lege ich ein wenig Make-Up auf und binde meine Haare zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zusammen. Mein Vater hat währenddessen das Auto aus der Garage geholt und wartet bereits. Schnell nehme ich meine Handtasche, verabschiede mich kurz von meiner Mutter und lasse mich auf den Beifahrersitz fallen.
    Gute fünfzehn Minuten später stehen wir in der Auffahrt von Jans Elternhaus. Ich warte ab, bis mein Vater den Wagen gewendet hat und davongefahren ist. Dann klingle ich.
    Jans Mutter öffnet, begrüßt mich freundlich und teilt mir mit, dass sich Jan ein wenig hingelegt hat – die Gehirnerschütterung mache ihm noch zu schaffen. Nachdem sie mich mit einer vagen Geste nach oben geschickt hat und wieder in ihrem Arbeitszimmer verschwunden ist, gehe ich die Treppe hoch.
    Gehirnerschütterung?
    Mit einem Mal brennen meine Wangen vor Scham. An Jans Verletzungen habe ich seit geraumer Zeit keinen Gedanken verschwendet. Natürlich ist er immer noch nicht vollends wiederhergestellt. Selbstverständlich hat er weiterhin Schmerzen. Ich bin wirklich eine fantastische Freundin. Wie kann man so etwas vergessen? Ich habe Jan nicht einmal gefragt, wie es ihm geht. Wie aufmerksam von mir. Stillschweigend gelobe ich Besserung.
    Mit schlechtem Gewissen klopfe ich zaghaft an und öffne leise die Tür. Jan liegt im Halbdunkel auf seinem Bett und hat die Augen geschlossen. Eine gute Gelegenheit, ihn anzusehen. Er trägt statt eines T-Shirts nur einen Stützverband um den Brustkorb, dazu schwarze Sporthosen. Sogar in unvollständiger Kleidung sieht er spektakulär aus. War klar, dass ich ihn nicht in einem peinlichen Outfit antreffe. Diese blamablen Auftritte sind mir vorbehalten. Um den Hals trägt er wieder das Lederband mit dem Anhänger, welches mir schon am See aufgefallen ist. Neugierig betrachte ich es näher. Ein Metallband, das in sich gedreht ist. Sogar der passende Begriff fällt mir dazu ein: Möbiusband. Ein Hoch auf die Schule. Ob dieser Anhänger eine nähere Bedeutung hat?
    Verträumt lasse ich meinen Blick weiter über ihn gleiten, bewundere seine durchtrainierten Schultern, die schlanken, aber dennoch muskulösen Arme und verharre schließlich auf dem unbedeckten Teil seines Bauches zwischen dem Verband und seinem Hosenbund. Die Haut ist glatt und unter der Bauchdecke zeichnen sich seine Muskeln ab. Ich schlucke und versuche, dem Drang zu widerstehen, mit meinen Fingerspitzen zu überprüfen, ob der Praxistest hält, was der Anblick vermuten lässt. Fühlt sich Jans perfekter Bauch genauso vollkommen an, wie er aussieht? Seine Brust hebt und senkt sich gleichmäßig, und er wirkt total entspannt. Am liebsten würde ich mich neben ihn legen und mich an ihn schmiegen.
    Warum nicht? Nach den letzten gemeinsamen Tagen habe ich genug Vertrauen gefasst, um selbst einen Schritt auf ihn zuzugehen. Gegen die Aktion von gestern ist das gar nichts.
    Völlig versunken in Jans Anblick nähere ich mich dem Bett und setze mich vorsichtig auf die Kante. Es ist breit genug, dass wir uns nicht berühren, wenngleich nur wenige Zentimeter fehlen. Obwohl kein Körperkontakt besteht, merke ich, wie mir durch seine bloße Präsenz schwindlig wird. Tief atme ich den frischen Geruch ein, der noch einen Hauch seines After-Shaves erkennen lässt, und genieße es, seine Nähe zu spüren.
    Ob ich den Mut aufbringe, mich an ihn zu kuscheln? Wie würde er reagieren? Andererseits sagte er selbst, er habe sich in mich verliebt und wolle mit mir zusammensein. Insofern dürfte er nichts dagegen haben.
    Ich werde es herausfinden. Zögernd bewege ich mich ein winziges Stück näher an ihn heran und hebe meine Hand. Ich überwinde den geringen Abstand, der zwischen uns liegt, und halte kurz inne, bevor meine Handfläche seinen Bauch dicht unterhalb des Verbandes berührt. Ein federleichter Kontakt, denn seine gebrochenen Rippen sind mir dank der Erinnerung seiner Mutter durchaus präsent, außerdem will ich ihn nicht durch einen Schock aus dem Schlaf reißen.
    Der Moment des Aufeinandertreffens ist jedoch alles andere als sanft und liebevoll. In der Sekunde, in welcher sich unsere bloße Haut berührt, jagt mir ein Stromstoß den Arm hinauf. Gleichzeitig zuckt Jan zusammen, legt die Hände schützend auf

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