Fortunas Odyssee (German Edition)
hatten, mitteilte, dass Mama die Fazenda verlassen hatte. Sie bemalten sich ihre Gesichter mit Kriegsfarben und hielten in ihren schwieligen Händen die Waffen, die sie aus Genésios Büro geholt hatten.
Die Angestellten bewaffneten sich, um sich zu schützen, denn sie fürchteten eine Reaktion ihres Patrons und des Coronels. An diesem Abend sah ich das Erwachen ihrer Empörung, die seit Kalugas Tod in einen lähmenden Schlaf gefallen war. Jetzt wollten sie nicht mehr mit verschränkten Armen auf Gerechtigkeit warten.
Vicente und vier andere Männer sattelten Pferde, um in die Stadt zu reiten.
Als sie sich dem Laden näherte, stand die Tür halb offen.
Ich stellte mir vor, dass der Hexer dort war, vielleicht irgendetwas trank oder auf einem Bohnensack saß und seine typischen Grimassen schnitt, wie immer, wenn er Genésio sah. Aber er war nicht anwesend.
Ich beobachtete, wie sie langsam voranging und dabei mit dem Revolver in alle möglichen Richtungen zielte.
Der Mann, der hinter einem Regal hervortrat, hatte ein feuerrotes Gesicht, und sein Blick war wie der eines Panthers, der seine Beute fixiert. Er stellte sich hinter den Tresen, während sie ihre Waffe auf seine schwammige Brust richtete.
»Hier sind zwei Dokumente, die Sie unterschreiben müssen.« Sie legte die Papiere auf den Tresen.
Er lachte.
»Entweder unterschreiben Sie oder ich fühle mich gezwungen, diesen Brief der Polizei zu übergeben.«
Sie zeigte ihm die Kopie des Briefes, und er ließ seine Augen schnell über die Zeilen gleiten.
»Was ist das?«, fragte er und räusperte sich.
»Soll ich es Ihnen vorlesen?«
Sie nahm den Brief und las ihm alle Verbrechen vor, die er begangen hatte, wobei sie seine Bewegungen genau beobachtete.
Bei jedem Satz wurde sein Gesicht röter, aber trotzdem fuhr er sie an.
»Du alte Lügnerin. Das hast du alles erfunden.«
»Die Polizei sieht das bestimmt anders. Sie werden sogar Beweise finden, dass der Coronel in die Sache verstrickt ist. Wenn Sie unterschreiben, händige ich Ihnen diesen Brief aus, und wir sind quitt. Ich werde meine Söhne aufsuchen und Sie sind frei. Haben Sie das verstanden?«
In seinen Augen sah ich den Hass, der sein verfluchtes Blut in Flammen verwandelte. Dieser Mann war dabei, von seinem eigenen Gift zu kosten, und es war ihm unerträglich, dass er es von Mama serviert bekam.
Er atmete tief durch, und nachdem er beide Dokumente durchgelesen hatte, befahl er:
»Schieb’ den Brief näher zu mir.«
Dabei ergriff er den Revolver, der hinter dem Tresen lag.
»Vorsicht!«, schrie ich. »Vorsicht, Mama!«
Als er sich vorbeugte, um zu unterschreiben, kam jemand zur Ladentür und lenkte Mama kurzzeitig ab. Fast gleichzeitig fiel ein Schuss.
Sie fiel blutüberströmt zu Boden.
Ich schrie voller Verzweiflung, und alles um mich herum schien sich zu verdunkeln. Ich rannte hinter dem Tresen hervor und hielt sie in meinen Armen, während sie unter großen Schwierigkeiten atmete. Ich drückte ihren Körper an meinen, während ich zusah, wie das Blut auf den Boden rann.
»Mama, bitte, …« Ich konnte nichts mehr sagen, während ihre und meine Augen sich trafen.
Draußen hörte man Stimmen, die laut durcheinander sprachen. Wahrscheinlich waren es Nachbarn, die den Schuss gehört hatten.
Ich erinnerte mich, dass ich die Dinge ändern konnte, aber dazu musste Tim anwesend sein. Er war in der Nähe, vielleicht würde er gleich um die Ecke biegen und den Menschenauflauf bemerken. Vielleicht würde er hinzutreten, vielleicht würde er in den Laden gehen. Vielleicht konnte ich die Dinge noch ändern…
Eine schmerzliche Verzweiflung überfiel mich, während Mamas Seele aus ihrem Körper auf den schmutzigen Boden floss. Ich rief den Hexer, aber er erschien nicht.
»Die Zeit wird nicht reichen«, sagte ich, während sie in meinen Armen an einer Kugel starb, die sie seitlich an der Brust getroffen hatte.
Der Ärmel meines Hemdes war voller Blut, und ich fing an zu zittern.
Ihr Kopf fiel nach hinten und sie tat ihre letzten Atemzüge.
Der Sicherheitsmann stürmte herein und ich hörte die Stimmen Vicentes und seiner Männer, die gerade eingetroffen waren.
Ich rief um Hilfe, aber niemand hörte mich. Ich schrie, bis ich meine Sinne verlor.
Als ich meine Augen öffnete, sah ich den Hexer vor mir.
Der große Saal, der weiße Kamin, dasselbe Bild an der Wand. Alles wie zuvor. Ich schaute auf mein Hemd und suchte nach Blut. Nichts! Es war völlig sauber. Mein Blick ging zur Decke, dort
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