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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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verloren hätte, wenn sie ihm nicht die Finger abgeschnitten hätten, also würde es ihm besser anstehen, dem Himmel zu danken, daß er unter ihr Dach geraten sei. Eliza erlaubte Tom No Tribe nicht, zu dem Kerl zu gehen, und sie selbst tat es nur, um ihm das Essen zu bringen und den Verband zu wechseln, denn sein Geruch nach Schlechtigkeit beun– ruhigte sie wie etwas Greifbares. Babalú konnte ihn schon gar nicht ausstehen und redete ihn gar nicht erst an. Für ihn waren diese Frauen wie seine Schwestern, und er wurde fuchsteufelswild, wenn Jack mit obszönen Bemer– kungen schlau tun wollte. Nicht einmal bei äußerster Bedürftigkeit wäre es ihm eingefallen, die professionellen Dienste seiner Gefährtinnen in Anspruch zu nehmen, für ihn wäre das einer Blutschande gleichgekommen, und wenn seine Natur ihn allzusehr bedrängte, ging er zur Konkurrenz, und er hatte dem Chilenito geraten, das gleiche zu tun in dem unwahrscheinlichen Fall, daß er von seinen schlechten Mädchengewohnheiten geheilt würde.
    Während sie Jack einen Teller Suppe hinstellte, wagte Eliza endlich, ihn nach Joaquín Andieta zu fragen.
    »Murieta?« sagte er mißtrauisch.
    »Andieta.«
    »Kenne ich nicht.«
    »Vielleicht ist es derselbe«, schlug Eliza vor.
    »Was willst du von ihm?«
    »Er ist mein Bruder. Ich bin aus Chile hergekommen, um ihn zu treffen.«
    »Wie sieht dein Bruder aus?«
    »Nicht sehr groß, Haar und Augen schwarz, weiße Haut wie ich, aber wir sehen uns nicht ähnlich. Er ist schlank, muskulös, tapfer und leidenschaftlich. Wenn er spricht, schweigen alle andern.«
    »Genau so ist Joaquín Murieta, aber er ist kein Chilene, er ist Mexikaner.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Sicher bin ich mir über gar nichts, aber wenn ich Murieta sehe, werde ich ihm sagen, daß du ihn suchst.«
    In der folgenden Nacht war er verschwunden, und sie hörten nichts mehr von ihm, aber zwei Wochen später fanden sie vor der Schuppentür eine Tüte mit zwei Pfund Kaffee. Kurz darauf öffnete Eliza die Tüte, weil sie Frühstück machen wollte, und sah, daß darin kein Kaffee war, sondern Goldstaub. Nach Joe Bonecrusher konnte es von jedem beliebigen der Goldgräber kommen, die sie während dieser Zeit gepflegt hatten, aber Eliza wußte instinktiv, daß Jack es als Bezahlung da hingelegt hatte. Dieser Mann war nicht gesonnen, irgend jemandem einen Gefallen zu schulden. Am Sonntag erfuhren sie, daß der Sheriff einen Trupp Hilfssheriffs zusammenstellte, um den Mörder eines Goldgräbers zu suchen; sie hatten den Toten in seiner Hütte gefunden, wo er allein den Winter verbrachte: er hatte neun Dolchstiche in der Brust, seine Augen waren ausgestochen. Von seinem Gold fand sich keine Spur, und wegen der Brutalität des Verbrechens schoben sie die Schuld auf die Indianer, die für solche Fälle nun einmal herhalten mußten. Joe Bonecrusher hatte keine Lust, in Schwierigkeiten zu geraten, sie vergrub die zwei Pfund Gold unter einer Eiche und wies ihre Leute streng an, den Mund zu halten und nicht einmal aus Spaß den Mexikaner mit den abgehackten Fingern oder die Kaffeetüte zu erwähnen. In den folgenden zwei Monaten töteten die Hilfssheriffs ein halbes Dutzend Indianer und vergaßen die ganze Sache, weil sie andere, dringlichere Probleme am Hals hatten, und als der Stammeshäuptling würdevoll erschien und Erklärungen verlangte, erledigten sie auch ihn.
    Es war der 15. März, und niemand wußte, daß Eliza Geburtstag hatte, weil sie es lieber verschwieg und weswegen er natürlich auch nicht gefeiert wurde, aber dieses Datum würde ihnen allen trotzdem unvergeßlich bleiben. Die Kunden kamen nun wieder in den Schuppen, die Täubchen waren ständig beschäftigt, der Chilenito bearbeitete das Klavier mit wahrer Inbrunst, und Joe stellte optimistische Berechnungen an. Der Winter war letztlich doch nicht so schlimm gewesen, die Epidemie war weitgehend überstanden, und es lagen keine Kranken mehr auf den Schlafmatten. In dieser Nacht saß ein Dutzend Goldgräber im Schuppen und betrank sich gewissenhaft, während draußen der Wind die Äste von den Bäumen riß. Gegen elf Uhr brach die Hölle los.
    Keiner konnte sich erklären, wie das Feuer entstanden war, und Joe würde immer die andere Madame verdächtigen. Plötzlich brannte das Holz lichterloh, und in Sekundenschnelle griffen die Flammen auf die Vorhänge über, die ebenso wie die Seidenschals und Bettbehänge augenblicklich Feuer fingen. Alle konnten unverletzt fliehen und sich sogar noch ein paar

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