Fortunas Tochter
ein Christenmensch eine ganz andere.«
»Nein, ich kann das nicht glauben! Dieser Hurensohn - wenn ihr gestattet, Kinder -, dieser Hurensohn ist nicht imstande, mir das bißchen Gefälligkeit zu leisten! Nach allem, was ich für dich getan habe, du undankbarer Schuft!«
»Entschuldige, Joe. Ich habe noch nie einem mensch– lichen Wesen einen Schaden zugefügt…«
»Wovon redest du eigentlich? Bist du vielleicht kein Mörder? Hast du etwa nicht im Gefängnis gesessen?«
»Das war, weil ich Vieh gestohlen hatte«, gestand der Riese und war drauf und dran, vor Demütigung zu weinen.
»Ich werde es tun«, unterbrach Eliza, bleich, aber fest. Alle starrten sie ungläubig an. Selbst Tom No Tribe schien ihnen geeigneter zu sein, die Operation durch– zuführen, als der zarte Chilenito.
»Ich brauche ein gut geschärftes Messer, einen Hammer, Nadel, Faden und ein paar saubere Lappen.«
Babalú setzte sich in hellem Entsetzen platt auf die Erde, den Schädel zwischen den Fäusten, während die Frauen in achtungsvollem Schweigen das Nötige vorbereiteten.
Eliza ging in Gedanken durch, was sie von Tao Chi’en gelernt hatte, wenn sie in Sacramento gemeinsam Kugeln entfernt und Wunden genäht hatten. Wenn sie es damals gemacht hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, dann würde sie es auch heute können, entschied sie. Das Wichtigste, hatte ihr Freund gesagt, war es, Blutungen und Infektionen zu verhindern. Sie hatte ihn zwar keine Amputationen machen sehen, aber wenn sie die unglücklichen Kleinganoven behandelt hatten, die ohne Ohren zu ihnen kamen, hatte er ihr erzählt, in anderen Breiten würden für das gleiche Vergehen Hände oder Füße abgehackt. »Das Beil des Henkers ist schnell, aber es läßt kein Gewebe übrig, mit dem man den Knochenstumpf abdecken kann«, hatte Tao Chi’en gesagt. Er erklärte ihr, was er von Ebanizer Hobbs gelernt hatte, der Erfahrung mit Kriegswunden hatte und ihm beibrachte, wie man dabei vorgeht. In diesem Fall sind es wenigstens nur Finger, dachte Eliza.
Die Bonecrusher füllte den Patienten mit Alkohol ab, bis er bewußtlos war, während Eliza das Messer desinfizierte, indem sie es bis zur Rotglut in eine Flamme hielt. Sie ließ Jack auf einen Stuhl setzen, tauchte seine Hand in eine Schüssel mit Whisky und legte sie dann auf den Tischrand, die kranken Finger abgespreizt. Sie murmelte eine der magischen Gebete Mama Fresias, und als sie soweit war, bedeutete sie den Frauen mit einem Zeichen, sie sollten den Patienten festhalten. Sie drückte das Messer auf die beiden Finger und schlug schnell und sicher mit dem Hammer darauf, die Klinge drang ein, durchschnitt sauber die Knochen und blieb in der Tischplatte stecken. Jack stieß einen markerschütternden Schrei aus, aber er war so betrunken, daß er es nicht merkte, als sie die Wunden nähte und Esther sie verband. In wenigen Minuten war die Qual überstanden.
Eliza betrachtete die beiden amputierten Finger und bemühte sich, den Brechreiz zu unterdrücken, während die Frauen Jack auf eine der Schlafmatten betteten. Babalú der Böse, der sich so weit weg wie möglich von dem Schauspiel gehalten hatte, näherte sich ihr schüchtern, die Babymütze in der Hand.
»Du bist ein richtiger Mann, Chilenito«, murmelte er bewundernd.
Im März hatte Jack der Mexikaner sich erholt und begann recht lästig zu werden, denn er war ein finsterer Kerl, der keine Sympathien weckte. Er redete wenig, schien immer unter Hochdruck zu stehen, benahm sich oft herausfordernd und war stets bereit, beim kleinsten Schatten einer eingebildeten Provokation aggressiv zu werden. Von Dankbarkeit für die geleistete Hilfe hielt er offensichtlich nichts, im Gegenteil, als er aus seinem Rausch zu sich kam und feststellte, daß sie ihm die Finger amputiert hatten, warf er mit Flüchen und Drohungen um sich und schwor, der Hundesohn, der ihm die Hand ver– stümmelt hatte, würde das mit seinem Leben bezahlen. Da riß Babalú die Geduld. Er packte ihn wie eine Puppe, hob ihn hoch, blickte ihm starr ins Gesicht und sagte ganz leise: »Das war ich, Babalú der Böse.
Gibt’s ein Problem?«
Kaum war sein Fieber abgeklungen, wollte Jack mit den Täubchen seinen Spaß haben, aber sie wiesen ihn im Chor zurück, gratis gab’s nichts, und seine Taschen waren leer, wie sie festgestellt hatten, als sie ihn an jenem Frost– morgen auszogen und in die Badewanne setzten.
Joe Bonecrusher machte sich die Mühe, ihm zu erklären, daß er seinen Arm oder sogar das Leben
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