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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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wurden gegründet, Banken, Schulen und Kirchen gebaut, Straßen trassiert und Verkehrsverbindungen verbessert. Es gab Eilpostkutschen, und die Briefe wurden regelmäßig zugestellt. Frauen kamen, eine neue Gesellschaft bildete sich heraus, die nach Recht und Ordnung strebte, vorbei war es mit dem Chaos der einsamen Männer und der Prostituierten des Anfangs, Gesetze wurden erlassen, und das Bemühen wurde spürbar, zu der im Rausch des leichten Goldes verlorengegangenen Zivilisiertheit zurückzukehren.
    High Gallows bekam einen ehrbaren Namen und wurde in einer feierlichen Zeremonie mit Musikkapelle und Parade zu Dusty Springs. Auch Joe Bonecrusher nahm daran teil, zum erstenmal als Frau gekleidet und von ihrer ganzen Truppe geleitet. Die frisch angelangten Ehefrauen rückten ab von den »angemalten Gesichtern«, aber weil Joe und ihre Mädchen so vielen das Leben gerettet hatten, sahen sie über ihr Treiben hinweg. Gegen das andere Bordell jedoch entfesselten sie einen Krieg, der ziemlich nutzlos war, denn noch immer kam auf neun Männer eine Frau. Am Jahresende hieß James Morton fünf Quäker– familien willkommen, die in Ochsenkarren den Kontinent durchquert hatten und nicht des Goldes wegen kamen, sondern weil die ungeheure Weite dieses jungfräulichen Landes sie herbeigezogen hatte.
    Eliza wußte nicht, welcher Fährte sie folgen sollte. Joaquín Andieta war verlorengegangen in den Wirrnissen dieser Zeit, und an seiner Stelle begann sich ein Bandit abzuzeichnen mit den der Beschreibung nach passenden körperlichen Merkmalen und einem ähnlichen Namen, den sie aber unmöglich mit dem jungen Mann gleichsetzen konnte, den sie liebte. Der Verfasser der leidenschaft– lichen Briefe, die sie als einzigen Schatz aufbewahrte, konnte nicht derselbe sein, dem so grausame Verbrechen zugeschrieben wurden. Der Mann ihrer Liebe würde sich niemals mit einem Schurken wie Drei-Finger-Jack zusammengetan haben, glaubte sie, aber ihre Sicherheit wurde zu Wasser in den Nächten, wenn Joaquín ihr unter tausend verschiedenen Masken erschien und ihr wider– sprüchliche Botschaften brachte.
    Sie erwachte zitternd, von den wahnsinnigen Gespen– stern ihrer Albträume gepeinigt. Sie konnte nicht mehr beliebig in ihre Träume eintreten und sie wieder verlassen, wie Mama Fresia es sie in ihrer Kindheit gelehrt hatte, konnte nicht die Visionen und Symbole entziffern, die sich in ihrem Kopf wälzten, polternd wie Steine, die der Fluß mit sich fortreißt. Sie schrieb unermüdlich in ihr Tagebuch in der Hoffnung, daß dadurch die Bilder irgendeine Bedeutung erhielten; sie las die Liebesbriefe Wort für Wort und suchte nach erhellenden Zeichen, aber das Ergebnis war nur größere Ratlosigkeit. Diese Briefe waren der einzige Beweis, daß ihr Geliebter existierte, und sie klammerte sich daran, um nicht völlig verrückt zu werden. Kaum konnte sie der Versuchung widerstehen, sich in Apathie sinken zu lassen, um dem Schrecken des ständigen Suchens zu entfliehen. Sie zweifelte an allem: an den Umarmungen im Zimmer der Schränke, an dem monatelangen Begrabensein im Bauch des Schiffes, an dem Kind, das blutig von ihr ging.
    So überwältigend waren die finanziellen Probleme, die sich nicht nur durch Esthers Heirat mit dem Schmied ergaben, wodurch die Truppe auf einen Schlag ein Viertel ihrer Einkünfte einbüßte, sondern auch durch die wochenlange Krankheit der übrigen Mädchen, daß Joe fast ihr Häuschen hätte aufgeben müssen, aber die Vor- Stellung, ihre Täubchen für die Konkurrenz arbeiten zu sehen, weckte ihren Ehrgeiz und half ihr, gegen das Mißgeschick anzukämpfen. Die Mädchen waren durch die Hölle gegangen, und sie konnte sie nicht wieder ins Ungewisse zurückstoßen, denn ganz ohne es zu wollen, hatte sie sie ins Herz geschlossen. Sie hatte sich immer als schweren Irrtum Gottes betrachtet, als einen mit Gewalt in einen Frauenkörper gezwängten Mann, deshalb verstand sie diesen mütterlichen Instinkt nicht, der plötzlich in ihr Blüten trieb, als es am wenigsten angebracht war. Sie betreute Tom No Tribe pflichteifrig, aber sie gab gern zu verstehen, daß sie es tat »wie ein Sergeant«. Verhätscheln gab’s nicht, das lag nicht in ihrem Charakter, und außerdem mußte das Kind stark werden wie seine Vorfahren; »Zimperlichkeit versaut bloß die Männ– lichkeit«, warnte sie Eliza, als sie sie mit dem Jungen im Arm ertappte, wie sie ihm chilenische Märchen erzählte. Diese neue Zärtlichkeit für ihre Täubchen war

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