Fortunas Tochter
Prostitution und die Flagellantenclubs, je strenger die viktorianische Moral sich durchsetzte. In einer fernen Provinz Chiles vor einem eleganten Schreibtisch aus hellem Holz sitzend, ohne weitere Inspirationsquelle als die immer weiter perfek– tionierten und tausendfach übertriebenen Erinnerungen an eine einzigartige Liebe, hatte seine Schwester Roman auf Roman produziert, gezeichnet »eine anonyme Dame«. Niemand glaubte, daß diese heißen Geschichten, von denen einige an die einschlägigen und schon klassischen des Marquis de Sade erinnerten, von einer Frau geschrieben wurden.
Ihm fiel die Aufgabe zu, die Manuskripte zum Drucker zu bringen, die Abrechnungen zu überwachen, die Einnahmen zu kassieren und auf einer Londoner Bank für seine Schwester einzuzahlen. Das war seine Art, ihr für die große Freundlichkeit zu danken, mit der sie seine Tochter aufnahm und den Mund hielt. Eliza… Er konnte sich nicht an die Mutter erinnern, obwohl sie von ihr doch das Aussehen geerbt haben mußte, den Hang zum Abenteuer hatte sie zweifellos von ihm. Wo mochte sie sein? Bei wem? Rose hatte sich darauf versteift, sie sei einem Liebhaber nach Kalifornien gefolgt, aber je mehr Zeit verstrich, um so weniger glaubte er daran. Sein Freund Jacob Todd-Freemont, der die Suche nach Eliza zu seiner persönlichen Mission gemacht hatte, versicherte, sie habe San Francisco nie betreten.
Der Kapitän traf sich mit Freemont zum Abendessen, danach lud der Reporter ihn zu einem frivolen Spektakel in einem der Tanzschuppen im Rotlichtviertel ein.
Er erzählte ihm, daß Ah Toy, die Chinesin, die sie durch ein paar Löcher in der Wand bestaunt hatten, jetzt eine Kette von Bordellen betrieb sowie einen sehr eleganten »Salon«, in dem die besten fernöstlichen Mädchen, einige knapp elf Jahre alt, sich anboten und darin geübt waren, jede Laune zu befriedigen; aber nicht dort wollte er mit ihm hingehen, sondern um sich die Tänzerinnen aus einem türkischen Harem anzusehen. Bald darauf rauchten und tranken sie in einem zweistöckigen Gebäude, das mit Marmortischen, polierten Bronzen und Bildern von Faunen verfolgter Nymphen ausgestattet war. Frauen verschiedener Rassen bedienten die Gäste, servierten Alkohol und arbeiteten an den Spieltischen unter den wachsamen Blicken bewaffneter und mit schriller Eleganz gekleideter Zuhälter. Beiderseits des Hauptsalons wurde in geschlossenen Räumen mit hohem Einsatz gespielt. Hier trafen sie sich, um in einer Nacht Tausende zu riskieren: Lokalmatadore, Richter, Kaufleute, Anwälte und Kriminelle, gleichgemacht durch die gemeinsame Sucht. Das orientalische Spektakel erwies sich als Reinfall, der Kapitän hatte in Konstantinopel den echten Bauchtanz gesehen und nahm an, daß diese ungelenken Mädchen vermutlich zu der letzten Gruppe Straßenmädchen aus Chicago gehörten, die gerade in der Stadt angekommen war. Die Zuschauer, in der Hauptsache grobe Goldgräber, die außerstande gewesen wären, die Türkei auf einer Karte zu finden, wurden schier verrückt vor Begeisterung über diese nur spärlich mit Glasperlenröckchen bekleideten Odahsken. Gelangweilt wandte der Kapitän sich einem der Spieltische zu, wo eine Frau mit unglaublicher Geschicklichkeit die Karten für das Monte austeilte. Eine andere trat an ihn heran, faßte ihn am Arm und flüsterte ihm eine Einladung ins Ohr. Er drehte sich um und sah sie an. Es war eine rundliche, gewöhnliche Südamerikanerin, aber ihr Gesicht strahlte Fröhlichkeit aus. Er wollte sie fortschicken, weil er den Rest der Nacht in einem der teuren Salons zu verbringen gedachte, die er schon bei jedem seiner früheren Aufenthalte in San Francisco besucht hatte, als sein Blick auf ihren Ausschnitt fiel. Zwischen den Brüsten trug sie eine goldene Brosche mit Türkisen.
»Wo hast du das her?« schrie er und packte ihre Schultern mit zwei Pranken.
»Das ist meins! Hab ich gekauft!« stotterte sie erschrocken.
»Wo?« Und er schüttelte sie, daß einer der Rausschmeißer näher kam.
»Ist was, Mister?« fragte er drohend.
Der Kapitän machte ein Zeichen, daß er die Frau wolle, und schleppte sie, trug sie fast zu einer der Nischen im zweiten Stock. Er zog den Vorhang zu und warf sie mit einer Ohrfeige rücklings aufs Bett.
»Du wirst mir jetzt sagen, wo du diese Brosche her hast, oder ich schlag dir sämtliche Zähne ein, ist das klar?«
»Ich hab sie nicht gestohlen, Señor, das schwöre ich. Man hat sie mir gegeben!«
»Wer hat sie dir gegeben?«
»Sie werden
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